EuG-Urteil vom 10.9.2025, T‑288/24
Sachverhalt:
Die Berliner Verkehrsbetriebe meldeten beim EUIPO eine Unionshörmarke (Klangmarke) an, bestehend aus einer kurzen Melodie mit vier aufeinanderfolgenden Tönen:
Die Anmeldung bezog sich auf Dienstleistungen der Klasse 39, darunter Transportwesen, Personenbeförderung und Reiseveranstaltung.
Das EUIPO lehnte die Eintragung mit der Begründung ab, der Klang sei zu kurz, zu einfach und nicht geeignet, als Herkunftshinweis zu dienen. Die Beschwerdekammer bestätigte diese Entscheidung und stufte die Melodie als banales funktionales Element ohne Wiedererkennungswert ein. Die BVG erhob daraufhin Klage beim Gericht der Europäischen Union.
Entscheidung:
Das EuG hob die Entscheidung der Beschwerdekammer auf. Nach der einschlägigen Rechtsprechung genügt ein Mindestmaß an Unterscheidungskraft, damit eine Marke eingetragen werden kann. Maßgeblich ist, ob der Klang geeignet ist, die betriebliche Herkunft der Dienstleistungen zu kennzeichnen und sie von Angeboten anderer Unternehmen zu unterscheiden.
Das EuG betonte, dass sich die Wahrnehmungsgewohnheiten im Transportsektor verändert hätten. Kurze Jingles seien dort zunehmend gebräuchlich, um Unternehmen eine akustische Identität zu verleihen. Eine kurze, prägnante Klangfolge könne daher durchaus als Herkunftshinweis verstanden werden, wenn sie originell und merkfähig ist. Die von der BVG angemeldete Melodie sei nicht durch technische oder funktionale Erfordernisse bedingt, stehe in keinem direkten Zusammenhang mit den erfassten Dienstleistungen und besitze Eigenart. Zudem weise sie eine vergleichbare Struktur und Länge auf wie bereits eingetragene Hörmarken anderer Verkehrsunternehmen, etwa der Deutschen Bahn oder des Flughafens München.
Das EuG widersprach der Auffassung, die Melodie erfülle lediglich eine funktionale Aufgabe. Selbst wenn sie in Bahnhöfen oder im Rahmen von Durchsagen verwendet werde, könne sie gleichzeitig als Herkunftshinweis dienen. Die Kürze und Einfachheit einer Tonfolge seien kein ausreichendes Kriterium, um die Eintragungsfähigkeit zu verneinen. Entscheidend sei, dass der Klang eine einprägsame Wirkung entfalten könne, die ihn vom üblichen akustischen Umfeld abhebe.
Die angefochtene Entscheidung wurde daher aufgehoben.
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