OGH-Entscheidung vom 28.9.2021, 4 Ob 153/21k

 

Sachverhalt:

Die Antragstellerin meldete beim Patentamt zwei Marken an:

Die Wortmarke „MYFLAT“ sowie eine Wort-Bild-Marke mit folgendem Aussehen:

 

 

 

 

Beide Marken wurden für Waren und Dienstleistungen in den Klassen 9 (Software), 35 (Baudienstleistungen), 36 (Immobilienwesen), 42 (Software-Dienstleistungen) und 45 (Juristische Dienstleistungen) angemeldet.

Das Patentamt wies den Antrag mit der Begründung ab, dass den Zeichen die Unterscheidungskraft nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG fehle. Der Begriff „MYFLAT“ werde von den beteiligten Verkehrskreisen mit „meine Wohnung“ übersetzt. Es sei bei den Waren und Dienstleistungen jener Klassen, für die die Zeichen eingetragen werden sollen, naheliegend, dass sich diese Waren und Dienstleistungen auf Wohnungen beziehen würden.

 

Entscheidung:

Das Rekursgericht teilte die Ansicht des Patentamtes. Der OGH gab dem Revisionsrekurs der Antragstellerin jedoch teilweise Folge und änderte die angefochtene Entscheidung dahin ab, dass den Marken in den Klassen 9, 42 und 45 Schutz zuerkannt wurde.

Der OGH führte aus, dass eine Marke unterscheidungskräftig im Sinne des § 4 Abs 1 Z 3 MSchG ist, wenn sie geeignet ist, die Ware oder Dienstleistung, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Ware oder Dienstleistung somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Nur unter dieser Bedingung kann eine Marke ihre Hauptfunktion als betrieblicher Herkunftshinweis erfüllen.

Unterscheidungskraft fehlt bei einer Marke jedenfalls dann, wenn die maßgebenden Verkehrskreise sie als Information über die Art der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen verstehen, nicht aber als Hinweis auf deren Herkunft. Eine beschreibende Marke iSv § 4 Abs 1 Z 4 MSchG ist daher auch nicht unterscheidungskräftig. Eine Marke ist beschreibend, wenn die beteiligten Verkehrskreise den Begriffsinhalt zwanglos und ohne komplizierte Schlussfolgerungen erschließen können und sie daher als Hinweis auf die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung verstehen. Lässt sich die Beziehung zwischen Ware/Dienstleistung und Zeichen nur im Wege besonderer Schlussfolgerungen oder Gedankenoperationen herstellen, dann ist die Registrierung des Zeichens als Marke erlaubt.

Grundsätzlich legt der OGH bei der Prüfung des Eintragungshindernisses der fehlenden Unterscheidungskraft einen großzügigen Maßstab an. Bei der Beurteilung ist außerdem zu beachten, dass bei Wort-Bild-Marken in der Regel der Wortbestandteil für den Gesamteindruck maßgebend ist, weil sich der Geschäftsverkehr zumeist am prägenden Kennwort orientiert. Bei mehreren Wörtern kommt es auf den prägenden Wortbestandteil an. Diese Regeln gelten auch für Worte, die dem Grundwortschatz bekannter Fremdsprachen (zumeist des Englischen) angehören.

Im vorliegenden Fall fehlte auch aus Sicht des OGH die erforderliche Unterscheidungskraft im Hinblick auf die Dienstleistungen in den Klassen 35 (Baudienstleistungen) und 36 (Immobilienwesen). Betreffend diese Dienstleistungen sind die Marken der Anmelderin nicht kennzeichnungskräftig, weil zu erwarten ist, dass sie vom Publikum ohne weitere Überlegungen und gedankliche Zwischenschritte ausschließlich als beschreibender Hinweis auf die damit bezeichnete Dienstleistung im Zusammenhang mit der Errichtung, der Verwaltung oder der Vermittlung von Immobilien verstanden wird. An diesem zu erwartenden Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise ändert bei der Wort-Bild-Marke auch ihr grafischer Anteil nichts.

Im Hinblick auf die Dienstleistungen der Klassen 9 (Software), 42 (Software-Dienstleistungen) und 45 (Juristische Dienstleistungen) werden die angemeldeten Zeichen vom Publikum hingegen nicht unmittelbar gedanklich mit der Art, Natur oder Beschaffenheit der in diesen Klassen genannten Waren und Dienstleistungen in Verbindung gebracht und weisen insoweit daher keinen beschreibenden Inhalt auf. Wegen der vielschichtigen Möglichkeiten bei juristischen Dienstleistungen und im IT-Bereich lässt sich die Beziehung zwischen Dienstleistung und Zeichen nämlich erst im Weg besonderer Schlussfolgerungen oder Gedankenoperationen herstellen.

 

 

Link zum Entscheidungstext

 

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