EuGH-Urteil vom 7. Mai 2015, Rechtssache C‑445/13 P

2004 meldete das norwegische Unternehmen Voss of Norway folgende dreidimensionalen Gemeinschaftsmarke beim HABM an:

voss

Hierbei handelt es sich um eine Flasche für (Mineral)Wasser.

Die Marke wurde für folgende Waren der Klassen 32 und 33 des Abkommens von Nizza angemeldet:

  • Klasse 32: Biere; alkoholfreie Getränke, Wässer.
  • Klasse 33: Alkoholische Getränke, ausgenommen Bier.

 

 

 

 

Ein anderes Unternehmen brachte daraufhin einen Antrag auf Nichtigerklärung beim HABM ein. Die Beschwerdekammer gab diesem Antrag schließlich statt. Die fragliche Flaschenform weiche nicht wesentlich von der Form anderer Behälter ab, die in der Europäischen Union für alkoholische oder alkoholfreie Getränke verwendet würden, sondern variiere diese nur.

Gegen diese Entscheidung klagte Voss vor dem EuG – jedoch erfolglos.

Auch der EuGH wies das Rechtsmittel von Voss zurück und stimmte folgender Begründung des EuG zu:

Die Unterscheidungskraft einer Marke ist zum einen im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, und zum anderen im Hinblick auf ihre Wahrnehmung durch die maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen.

Nach ständiger Rechtsprechung sind die Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft dreidimensionaler Marken, die in der Form der Ware selbst bestehen, keine anderen als die für die übrigen Markenkategorien geltenden. Im Rahmen der Anwendung dieser Kriterien wird jedoch eine dreidimensionale Marke, die im Erscheinungsbild der Ware selbst besteht, vom Durchschnittsverbraucher nicht notwendig in der gleichen Weise wahrgenommen wie eine Wort- oder Bildmarke, die aus einem Zeichen besteht, das vom Erscheinungsbild der mit der Marke bezeichneten Waren unabhängig ist. In der Tat schließen die Durchschnittsverbraucher aus der Form der Waren oder der ihrer Verpackung, wenn grafische oder Wortelemente fehlen, gewöhnlich nicht auf die Herkunft dieser Waren; daher kann es schwieriger sein, die Unterscheidungskraft einer solchen dreidimensionalen Marke nachzuweisen als diejenige einer Wort- oder Bildmarke.Unter diesen Umständen ist, je mehr sich die angemeldete Form der Form annähert, in der die betreffende Ware am wahrscheinlichsten in Erscheinung tritt, umso eher zu erwarten, dass dieser Form die Unterscheidungskraft fehlt.

Nur eine Marke, die erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweicht und deshalb ihre wesentliche herkunftskennzeichnende Funktion zu erfüllen geeignet ist, besitzt auch Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift. Daraus folgt, dass, wenn eine dreidimensionale Marke in der Form der Ware besteht, für die sie angemeldet wird, der bloße Umstand, dass diese Form eine „Variante“ der üblichen Formen dieser Warengattung ist, nicht ausreicht, um zu beweisen, dass es der genannten Marke nicht an Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 fehlt. Es ist stets zu prüfen, ob diese Marke es dem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der fraglichen Ware erlaubt, diese – ohne Prüfung und ohne besondere Aufmerksamkeit – von Waren anderer Unternehmen zu unterscheiden.

Die Prüfung der Unterscheidungskraft kann zum Teil für jedes seiner Bestandteile gesondert erfolgen, sie muss aber jedenfalls auf die Gesamtwahrnehmung der Marke durch die maßgeblichen Verkehrskreise gestützt sein und nicht auf die Vermutung, dass Bestandteile, die isoliert betrachtet nicht unterscheidungskräftig sind, auch im Fall ihrer Kombination nicht unterscheidungskräftig werden können. Der Umstand allein, dass jeder dieser Bestandteile für sich genommen nicht unterscheidungskräftig ist, schließt nämlich nicht aus, dass ihre Kombination unterscheidungskräftig sein kann.

Das Rechtsmittel von Voss wurde daher zur Gänze zurückgewiesen und die Gemeinschaftsmarke für nichtig erklärt.