OGH-Entscheidung vom 24.5.2022, 4 Ob 72/22z

 

Sachverhalt:

Der Kläger vertrieb in den Jahren 2015 bis 2018 Heizgeräte und meldete 2016 folgende Unionsmarke für Heizungs-, Ventilations-, Klima- und Luftreinigungsgeräte und -anlagen (Nizza Klasse 11) an:

Im Geschäftsleben verwendete er (nur) den Zeichenteil „SHE“ samt Umrandung, nicht auch die Wortfolge „Smart Home Experience“.

Die Beklagte ist seit 2017 Inhaberin folgender österreichischer Wort-Bild-Marke, die ebenfalls für Waren der Klasse 11 (Ventilatoren, Kühlgeräte, Klimaanlagen, elektrische Grillgeräte und Kochgeräte) angemeldet wurde:

Für Waren der Klasse 9 wurde bereits 2005 eine gleich aussehende Marke von der Beklagten angemeldet.

Der Kläger klagte u.a. auf Unterlassung. Die Beklagte erhob daraufhin eine auf Art 7 Abs 1 lit b, c und d UMV gestützte Widerklage nach Art 128 UMV.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht wies die Unterlassungsklage ab und gab der Widerklage statt. Das Berufungsgericht gab dem Unterlassungsbegehren hinsichtlich Klasse 11 statt und wies die Widerklage ab. Der OGH wies die außerordentliche Revision der Beklagten zurück.

Die Beklagte argumentierte damit, dass die Unionsmarke wegen der verwendeten Wortgruppe „Smart Home Experience“ beschreibend und damit nicht unterscheidungsfähig sei. Der OGH führte dazu aus, dass eine Marke unterscheidungskräftig ist, wenn sie geeignet ist, die Ware oder Dienstleistung, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Ware oder Dienstleistung somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Nur unter dieser Bedingung kann eine Marke ihre Hauptfunktion als betrieblicher Herkunftshinweis erfüllen.

Eine Marke ist hingegen beschreibend, wenn die beteiligten Verkehrskreise den Begriffsinhalt zwanglos und ohne komplizierte Schlussfolgerungen erschließen können und sie daher als Hinweis auf die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung, nicht jedoch als Herkunftsangabe, verstehen. Lässt sich dagegen die Beziehung zwischen Ware/Dienstleistung und Zeichen nur im Wege besonderer Schlussfolgerungen oder Gedankenoperationen herstellen, dann ist die Registrierung des Zeichens erlaubt.

Wegen der vertretbaren Verneinung des beschreibenden Charakters der Wortgruppe „Smart Home Experience“ durch das Berufungsgericht, kam es nicht mehr darauf an, ob diese Wortgruppe prägender Bestandteil der Marke ist.

Das Berufungsgericht hat das Vorliegen einer Täuschung und den darauf gestützten Nichtigkeitsgrund des Art 59 Abs 1 lit a UMV mit der Begründung verneint, dass bei den vom Kläger beanspruchten Waren der Nizza Klasse 11 eine Kennzeichnung als vernetzbare Geräte möglich sei, wenn man den Markenbestandteil „Smart Home“ in diesem Sinn verstehe.

Schlussendlich bestätigte der OGH die Entscheidung des Berufungsgerichts, das unter Hinweis auf die Identität bzw Ähnlichkeit der jeweils vertriebenen Waren und den identen prägenden Wortbestandteilen „SHE“ die Verwechslungsgefahr jedenfalls vertretbar bejaht hatte.

 

 

Link zum Entscheidungstext

 

 

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