OGH-Entscheidung vom 27.5.2021, 4 Ob 32/21s

 

Sachverhalt:

Ein Immobilienunternehmen meldete beim Österreichischen Patentamt eine Wortbildmarke an (links im Bild). Die Antragstellerin erhob Widerspruch gegen die Eintragung und stützte sich dabei auf ihre älteren Marken (rechts im Bild):

Die Antragstellerin argumentierte, dass die angegriffene Marke zur Verwechslung mit den Widerspruchsmarken geeignet sei, weil unter anderem die grafische Gestaltung des stilisierten Histogramms vollständig übernommen wurde. Die einander gegenüberstehenden Marken seien verwechselbar ähnlich, weil die Waren und Dienstleistungen teils gleichartig, teils ident seien und die Antragstellerin den besseren Zeitrang habe.

 

Entscheidung:

Die Rechtsabteilung des Patentamts wies den Widerspruch ab.  Das Rekursgericht änderte die Entscheidung dahin ab, dass es dem Widerspruch teilweise stattgab. Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin. Der OGH befand den Revisionsrekurs für unzulässig.

Das Rekursgericht sei vertretbar davon ausgegangen, dass die Hinzufügung des Wortbestandteils „OVB“ den Bildbestandteil der Marke keineswegs vollständig in den Hintergrund drängt und der Gesamteindruck der Wortbildmarke im Vergleich zur Bildmarke daher nicht gänzlich verschieden ist. Aus der Sicht der Betrachter kann angenommen werden, dass die Ziffern-Buchstabenkombination sowie das kleinere Wort „IMMOGROUP“ eine zusätzliche Spezifikation einer Ware oder einer Dienstleistung seien, die von jenem Unternehmen stamme, das schon durch das abgebildete Säulendiagramm identifiziert werden könne.

Die Antragsgegnerin hat das abgebildete Säulendiagramm in ihre Marke übernommen. Wird eine registrierte Marke vollständig in eine andere Marke aufgenommen, ist regelmäßig Ähnlichkeit anzunehmen. Bei der Übernahme eines schwachen Zeichens besteht Verwechslungsgefahr aber nur dann, wenn das übernommene Zeichen innerhalb des aufnehmenden Zeichens keine untergeordnete Rolle spielt und nicht gänzlich in den Hintergrund tritt.

Ob zwischen zwei Bildmarken Verwechslungsgefahr besteht, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Zu berücksichtigen sind die Kennzeichnungskraft der verletzten Marke, die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen und die Ähnlichkeit der von den Zeichen erfassten Waren, wobei stets der Gesamteindruck der Marke maßgeblich und die dominierenden Zeichenbestandteile besonders zu berücksichtigen sind. Entscheidend ist die Wirkung auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren oder Dienstleistungsart, der die Marke regelmäßig als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die Einzelheiten achtet.

Der OGH kam zu dem Ergebnis, dass dem Rekursgericht bei Beurteilung der Verwechslungsgefahr keine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen ist. Die Bild- und die Wortelemente in der angegriffenen Marke seien als gleichwertig anzusehen; die Bildelemente treten nicht gänzlich in den Hintergrund. Außerdem gilt auch hier, dass bei Waren- oder Dienstleistungsidentität oder hochgradiger Produktähnlichkeit ein größerer Abstand der Zeichen erforderlich ist, um Verwechslungsgefahr auszuschließen.

 

 

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