OLG Wien-Entscheidung vom 18.6.2024, 33 R 60/24x
Sachverhalt:
Die Antragstellerin beantragte beim Österreichischen Patentamt die Eintragung der Wortmarke
EcoBox
für Waren aus Klasse 19 (iwS Baumaterialien und Bauelemente).
Das Patentamt wies die Anmeldung ab. Die Rechtsabteilung hielt fest, dass die Marke nur unter den Voraussetzungen des § 4 Abs 2 MSchG (Verkehrsgeltung) registrierbar sei. Die Verkehrskreise würden das Zeichen nur als allgemeinen Hinweis auf die Beschaffenheit oder Form der damit bezeichneten Waren sehen. Sie würden davon ausgehen, dass es sich um Bauelemente und -materialien handle, die ökologischen Ursprungs seien und der Herstellung von boxartigen Gebäuden wie Containern, (kleineren) Wohnhäusern oder Gartenhütten dienten.
Entscheidung:
Das OLG Wien gab dem Rekurs der Antragstellerin Folge.
Nach § 4 Abs 1 Z 4 und 5 MSchG sind zudem solche Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit oder der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können oder im allgemeinen Sprachgebrauch oder in den redlichen und ständigen Verkehrsgepflogenheiten zur Bezeichnung der Ware oder Dienstleistung üblich sind. Eine beschreibende Marke in diesem Sinne ist daher auch nicht unterscheidungskräftig.
Lässt sich die Beziehung zwischen Ware oder Dienstleistung und Zeichen nur im Wege besonderer Schlussfolgerungen oder Gedankenoperationen herstellen, ist die Registrierung eines Zeichens auch ohne Verkehrsgeltung erlaubt, ebenso, wenn es sich um eine bloße Andeutung irgendwelcher Eigenschaften der Ware oder Dienstleistung, der Art ihrer Herstellung oder ihrer Zweckbestimmung handelt (siehe dieser Blog-Beitrag zur Marke myflat).
In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wird bei Prüfung des Eintragungshindernisses der fehlenden Unterscheidungskraft ein großzügiger Maßstab angelegt: Jede noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden.
Das OLG Wien befand die Marke „EcoBox“ angesichts dieser Grundsätze für schutzfähig.
Der englischen Vorsilbe „eco-“ komme keine ganz eindeutige Bedeutung zu: Sie kann nämlich nicht nur für „ecological“ und damit für ökologisch oder umweltfreundlich stehen, sondern auch für „economical“, also ökonomisch im Sinne von wirtschaftlich oder sparsam.
Mit dem Wort „Box“ assoziiert man zunächst eine Schachtel oder einen Karton, allenfalls auch einen Lautsprecher. Als Synonym für ein (kleines) Haus wird es hingegen im Deutschen grundsätzlich nicht verwendet. Diese Mehrdeutigkeit führt dazu, dass das Zeichen für das Publikum keine sofort erschließbare Aussage über eine bestimmte Eigenschaft der Waren ausdrückt. Vielmehr erfordert die Ermittlung eines bestimmten Bedeutungsinhalts zum einen eine Auseinandersetzung mit der Frage, für welche der zwei in Frage kommenden Worte die Abkürzung „eco“ im vorliegenden Fall steht. Zum anderen muss man überlegen, welche konkrete Bedeutung von „Box“ die Antragstellerin vor Augen hatte und inwiefern sich diese auf ihre Waren bezieht. Selbst wenn man nämlich „Box“ als Hinweis auf ein Haus oder einen Container erkennt, ist ein weiterer Gedankenschritt erforderlich, um zu den Baumaterialien und -elementen, mit denen das Gebäude errichtet wird, zu gelangen.
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