OGH-Entscheidung vom 12.9.2023, 4 Ob 16/23s

 

Sachverhalt:

Die Antragstellerin begehrte die Eintragung der untenstehenden Abbildung als „sonstige“ Marke (§ 23 Abs 1 Z 11 Patentamtsverordnung), in eventu als Positionsmarke, in eventu als Farbmarke, in eventu als Formmarke für Waren und Dienstleistungen der Klassen 1, 4, 35, 37, 43 und 44.

Die Beschreibung dazu lautete wie folgt: „Die Marke besteht aus einer Kombination der Farben Blau, Grün und Weiß zur Kennzeichnung von Tankstellen. Die grau eingefärbten Teile der Darstellung sind nicht Teil der Marke, sondern dienen der Veranschaulichung; in eventu: Die Marke besteht aus einer Kombination der Farben Blau (RAL 5010), Grün (RAL 6018) und Weiß (RAL 9010) zur Kennzeichnung von Tankstellen. Die grau eingefärbten Teile der Darstellung sind nicht Teil der Marke, sondern dienen nur der Veranschaulichung.“

Das Patentamt sprach aus, dass das Zeichen nur unter den Voraussetzungen des § 4 Abs 2 MSchG (Verkehrsgeltung) registrierbar sei. Dem Zeichen fehle die Unterscheidungskraft nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG.

 

Entscheidung:

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu „sonstigen“ Marken zulässig sei. Der OGH befand den Revisionsrekurs der Antragstellerin aus diesem Grund zwar für zulässig, aber nicht berechtigt.

Eine Marke, die unter keine der üblichen Markenformen (Wortmarken, Wortbildmarken, Formmarken, etc) fällt, ist eine „sonstige Marke“ (§ 23 Abs 1 Z 11 PAV). Sie muss in einer angemessenen Form unter Verwendung allgemein zugänglicher, dh, auch vom Patentamt verarbeitbarer Technologie eindeutig, präzise, abgeschlossen, leicht zugänglich, verständlich, dauerhaft und objektiv wiedergegeben werden, sodass jedermann klar und präzise feststellen kann, für welchen Gegenstand Schutz gewährt wird (§ 16 Abs 4 MSchG). Wird der Anmeldung eine Beschreibung des Zeichens beigefügt, muss diese zur Klarstellung des Gegenstands und der Reichweite des beantragten markenrechtlichen Schutzes beitragen und darf weder im Widerspruch zur grafischen Darstellung der Marke stehen, noch Zweifel in Bezug auf Gegenstand und Reichweite dieser grafischen Darstellung wecken.

Der OGH bestätigte vor diesem Hintergrund die Rechtsansicht des Rekursgerichts, wonach sich aus der Markenanmeldung und den ergänzenden Angaben der Antragstellerin der angestrebte Schutzgegenstand des Zeichens nicht eindeutig bestimmen ließ.

Nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben. Unterscheidungskraft kommt einer Marke zu, wenn sie unmittelbar als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen werden kann und so die Ursprungsidentität garantiert. Fehlt die Unterscheidungskraft, so kann das Zeichen die Hauptfunktion der Marke als betrieblicher Herkunftshinweis nicht erfüllen.

Die Darstellung der Ausstattung einer Verkaufsstätte für Waren allein in der Form einer Zeichnung ohne Größen- oder Proportionsangaben kann als Marke für Dienstleistungen eingetragen werden, die in Leistungen bestehen, welche sich auf diese Waren beziehen, aber keinen integralen Bestandteil des Verkaufs dieser Waren selbst bilden, sofern diese Darstellung geeignet ist, die Dienstleistungen des Anmelders von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden, und der Eintragung keines der in der Markenrichtlinie genannten Eintragungshindernisse entgegensteht.

Abstrakte (konturlose) Farbmarken sind nur unter besonderen Voraussetzungen schutzfähig. Die Verfügbarkeit von Farben darf für die anderen Wirtschaftsteilnehmer, die Waren oder Dienstleistungen der von der Anmeldung erfassten Art anbieten, nicht ungerechtfertigt beschränkt werden. Zu Farbkombinationen verlangt die Rechtsprechung, dass die Farben systematisch so angeordnet sind, dass sie „in vorher festgelegter und beständiger Weise verbunden“ sind. Ein Zeichen, das eine Vielzahl von Wiedergaben zulässt, die weder vorher festgelegt noch beständig sind, ist nicht schutzfähig. Solche Darstellungen ließen nämlich zahlreiche unterschiedliche Kombinationen zu.

Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Kombination von mehreren Elementen, nämlich die spezielle Anordnung der Farbkombination Blau, Grün und Weiß auf den dargestellten Baulichkeiten. Es war daher zu beurteilen, ob die solcherart auf den Bauelementen angeordnete Farbkombination dem Durchschnittsverbraucher ermöglicht, die von der Markenanmelderin vertriebenen Waren und erbrachten Dienstleistungen ohne Verwechslungsgefahr von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden.

Hier liegen unterschiedliche Elemente vor, die weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit betrachtet die erforderliche Unterscheidungskraft besitzen. Es liegen keine außergewöhnlichen Umstände vor, die die Unterscheidungskraft dieser (mäßig auffälligen) Farben bzw ihrer konkreten Positionierung begründen könnten. Das gegenständliche Zeichen wurde aber nicht als Farbmarke, sondern als „sonstige“ Marke angemeldet, zumal es über weitere Elemente verfügt. Allerdings handelt es sich bei der dargestellten Form des Tankstellendachs samt Säulen um eine nachgerade typische Gestaltung einer Tankstelle, die für sich betrachtet keine Herkunftsfunktion erfüllt. Auch die Positionierung der Farbstreifen ist nicht geeignet, als Herkunftshinweis zu dienen.

Sind somit die einzelnen Elemente der angemeldeten Marke nicht unterscheidungskräftig, so ergibt sich die Kennzeichnungskraft derselben auch nicht in ihrer Gesamtbetrachtung. Der OGH schloss sich daher der Beurteilung der Vorinstanzen an, wonach das fragliche Zeichen nur aufgrund von Verkehrsgeltung einzutragen wäre.

 

 

 

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