OLG Wien-Entscheidung vom 21.2.2024, 17 Bs 305/23m

 

 

Sachverhalt:

Der Antragssteller war vor einigen Jahren Vizekanzler der Republik Österreich und Bundesparteivorsitzender sowie Bundesobmann einer politischen Partei. Der Antragsteller ließ sich von seiner Ehefrau scheiden.

Die Antragsgegnerin ist Medieninhaberin einer Website, auf der über die Scheidung berichtet wurde. Unter anderem wurde unter der Überschrift “Geheimer Blitztermin: [Name] sind geschieden“ berichtet, dass die Ehefrau nach der Scheidung wieder ihren Mädchennamen angenommen habe. Es sei eine einvernehmliche Scheidung gewesen, beide Ehegatten würden auf Unterhaltsansprüche verzichten, die Ehefrau erhalte für den gemeinsamen Sohn das alleinige Sorgerecht, der Antragsteller zahle EUR 580,00 an Unterhalt für den Sohn, das Hab und Gut werde aufgeteilt, etc. Dem Artikel war weiters zu entnehmen, dass es nach einem monatelangen Rosenkrieg zu einer geheimen Blitzscheidung gekommen sei, die Ehefrau wegen schwerer Eheverfehlungen des Antragstellers eine Scheidungsklage eingebracht habe, der Antragsteller nach zwei DNA-Tests die Vaterschaft eines außerehelichen Kindes aus einer Affäre anerkannt habe und er die Affäre er erst im Zuge der Trennung gebeichtet habe. Der Antragsteller habe mehrere Zehntausend Euro Alimente für dieses uneheliche Kind nachgezahlt.

In einem weiteren Artikel vom selben Tag wurde gleichlautend berichtet und auf die frühere Berichterstattung verlinkt. Sämtliche Artikel enthielten zudem ein oder mehrere Lichtbilder, zeigend den Antragsteller und dessen ehemalige Gattin.

Der Antragsteller selbst hatte einige Monate zuvor auf seinem Facebook-Profil gepostet:

Meine Ehefrau und ich waren aufgrund einer schwierigen Situation seit meinem Rücktritt als Vizekanzler über mehr als drei Jahre mit einer enormen privaten Belastungsprobe konfrontiert. Die damit einhergehenden Verleumdungen und öffentlichen Anfeindungen haben unser gemeinsames Leben zwangsläufig sehr belastet. Nunmehr haben wir uns entschlossen getrennte Wege zu gehen. Von einer Trennung im Einvernehmen mit größtem wechselseitigen Respekt ist und war zwischen uns persönlich die Rede. Meine Ehefrau hat mich jahrelang mit unglaublicher Stärke und Herzlichkeit auch in schwierigsten Situationen unterstützt und ich empfinde dafür von ganzem Herzen tiefe Dankbarkeit. Unser wundervoller gemeinsamer Sohn wird uns selbstverständlich weiterhin verbinden. Obwohl ich kein Verständnis dafür aufbringen kann, dass Details des Scheidungsverfahrens veröffentlicht wurden, bin ich weiterhin bestrebt, die Scheidung einvernehmlich abzuwickeln und unsere Privatsphäre zu schützen. An einer medial inszenierten Schlammschlacht werde ich mich nicht beteiligen und auch keinen weiteren Kommentar dazu öffentlich abgeben. Ich bitte Euch nun, unsere Privatsphäre zu respektieren. Vielen Dank!

Der Antragsteller brachte beim Straflandesgericht Anträge auf Zahlung einer medienrechtlichen Entschädigung ein.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht befand die Behauptungen, jemand habe schwere Eheverfehlungen begangen und habe seine spätere Frau während aufrechter Beziehung mehrfach mit einer anderen Frau betrogen, sowie, dass aus dieser Affäre ein uneheliches Kind entstanden sei, anspruchsbegründend nach den §§ 6 ff MedienG. Der Tatbestand der üblen Nachrede sei erfüllt.

Zudem sei durch die Veröffentlichung der Details der einvernehmlichen Scheidung auch in den höchstpersönlichen Lebensbereich des Antragstellers eingegriffen worden und darüber in bloßstellender Weise berichtet worden. Der Antragsteller habe durch sein Facebook-Posting den Schutz seines höchstpersönlichen Lebensbereichs nicht aufgegeben.

Antragsgegnerin wurde zur Zahlung von Entschädigungen iHv EUR 4.500,00 verpflichtet.

Das OLG Wien gab der Berufung des Antragsgegners (wegen des – seiner Ansicht nach zu geringen – Strafausmaßes) nicht Folge. Das Erstgericht habe jeweils moderate, aber angemessene Entschädigungen festgesetzt. Die Entschädigung gemäß §§ 6 – 7c MedienG sei keine Strafe, sondern ein Ersatz für immaterielle Schäden.

Art und Weise der Veröffentlichung wurden ausreichend vom Erstgericht berücksichtigt, die entgegen den Berufungsausführungen weder erniedrigend war noch den Antragsteller der Lächerlichkeit preisgab. Die inkriminierten Artikel wurden zudem am selben Tag veröffentlicht und waren inhaltlich sehr ähnlich gestaltet.

Nachdem der Antragsteller im Übrigen weder ausführte noch bescheinigte, inwieweit die Berichterstattung diesen in seinem privaten und beruflichen Fortkommen gehindert habe, folgte das OLG auch diesem Berufungsvorbringen nicht.

 

 

Link zur Entscheidung

 

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