OGH-Entscheidung vom 17.9.2014, 4 Ob 102/14z

Sachverhalt:

Im „Salzburger Fenster“, einer Salzburger Gratiszeitung, wurde Mitte April 2012 über den Kläger (ein Strafreferent bei der Salzburger Polizei) berichtet, der wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs vom Dienst suspendiert wurde. Zunächst war der Kläger mit der Berichterstattung über diese Angelegenheit einverstanden. Auch Fotos des Klägers wurden veröffentlicht. Der Redaktion der Beklagten ließ der Kläger auch Unterlagen und Stellungnahmen aus dem Verfahren zukommen.

Im Zuge der Recherche wurde der Redaktion des „Salzburger Fenster“ zugetragen, dass der Kläger zahlreiche Anzeigen wegen Amtsmissbrauchs gegen Mitarbeiter des Finanzamts eingebracht habe, eine Taschenpfändung gegen ihn durchgeführt worden sei und einmal der Gerichtsvollzieher, einmal die Finanz komme. Da sich für die Redaktion aus den ihr vom Kläger überlassenen Unterlagen, aus einem vorliegenden Einspruch und den aus anderen Quellen erhaltenen Informationen ein stimmiges Gesamtbild ergab, legte sie diese Informationen einem ganzseitigen Artikel zugrunde, der zusammen mit einem Lichtbild des Klägers (Bildunterschrift: „Polizeijurist [Name]: ‚Es gibt von meiner Seite nur korrektes Verhalten'“) unter der Überschrift „Polizeijurist führt Privatkrieg mit der Finanz; Streit um 28.400 Euro Steuernachzahlung. Taschenpfändung, Zwangsverwalter für [Name des Klägers] Landwirtschaft“ veröffentlicht wurde.

Aufgrund dieses Artikels brachte der Kläger eine Unterlassungsklage gegen die Medieninhaberin des „Salzburger Fenster“ ein.

Zum Bekanntheitsgrad des Klägers ist zu sagen, dass dieser in den Jahren zuvor vielfach medial in Erscheinung trat; unter anderem publizierte er 2004 zwei Bücher über das Asylwesen und wurde von der „Kronen-Zeitung“ mit entsprechender Berichterstattung und unter Veröffentlichung eines ihn zeigenden Lichtbilds zum „Salzburger des Jahres“ gekürt. 2008 war er Einsatzleiter bei mehreren Razzien, in deren Verlauf zahlreiche Glücksspielautomaten beschlagnahmt wurden; das Medienecho war enorm, wobei der Kläger (der auch mit der polizeilichen Medienarbeit betraut war) in den Berichten immer wieder namentlich genannt und auf Lichtbildern gezeigt wurde.

Entscheidung:

Erst- und Berufungsgericht wiesen die Klage ab. Der OGH bestätigte diese Entscheidungen jedoch nicht und gab der außerordentlichen Revision des Klägers Folge.

Gegenstand des Unterlassungsbegehrens ist die Bildnisveröffentlichung im Zusammenhang mit einer Berichterstattung darüber, dass der Kläger einen Privatkrieg mit dem Finanzamt wegen einer Steuernachzahlung führe, es bereits eine Taschenpfändung des Finanzamts gegeben habe und in diesem Zusammenhang einmal der Gerichtsvollzieher, einmal die Finanz komme. Die beanstandete Wortberichterstattung betrifft somit ausschließlich ein gegen den Kläger geführtes Abgabenverfahren nach der BAO. § 48a Abs 1 BAO lautet: „Im Zusammenhang mit der Durchführung von Abgabenverfahren, Monopolverfahren (§ 2 lit. b) oder Finanzstrafverfahren besteht die Verpflichtung zur abgabenrechtlichen Geheimhaltung.“ Anders als die meisten strafrechtlichen Vorschriften verbietet § 48a BAO bereits die abstrakte Gefährdung und nicht bloß die konkrete Gefährdung eines Guts. Die Rechtsnorm schützt – neben den Interessen des Bundes – das Interesse der Partei an der Geheimhaltung des Akteninhalts, von Verhältnissen und Umständen. 2007 hat der OGH allerdings bereits Durchbrechung des Steuergeheimnisses in Ausnahmefällen für gerechtfertigt erachtet und ausgesprochen, dass jedenfalls dann, wenn Auskunftspersonen in einer für Medienvertreter öffentlichen Sitzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses „Zeile für Zeile“ zu bestimmten Inhalten von Akten eines Abgabenverfahrens vernommen wurden, die abgabenrechtliche Geheimhaltungspflicht nach § 48a BAO einer Veröffentlichung dieser Teile des Abgabenakts nicht mehr entgegensteht.

Auch Art 10 EMRK verlangt eine Interessenabwägung zwischen dem Steuergeheimnis als Bestandteil des Rechts auf Achtung des Privatlebens und dem Grundrecht auf Meinungsäußerungsfreiheit. Der EGMR prüft hier folgende Kriterien: Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse; Bekanntheitsgrad der betroffenen Person und Gegenstand des Berichts; früheres Verhalten der betroffenen Person; Methode der Informationsbeschaffung und Wahrheitsgehalt; Inhalt, Form und Folgen der Veröffentlichung; Schwere der verhängten Strafmaßnahmen.

Die nach § 78 UrhG gebotene Interessenabwägung, in die auch der Begleittext der Veröffentlichung einzubeziehen ist, führt hier schon deshalb zum Ergebnis überwiegender Interessen des Klägers an seiner Anonymität, weil der von der Beklagten veröffentlichte Bericht über ein gegen den Kläger geführtes Steuerverfahren kein Beitrag zu einer öffentlich geführten Debatte von allgemeinem Interesse ist. Mag der Kläger auch als Polizeijurist in seinem Bundesland einen gewissen lokalen Bekanntheitsgrad erreicht haben, liegen doch keine Umstände in seiner Person vor, die ausnahmsweise einen Bruch des gesetzlich verankerten Steuergeheimnisses rechtfertigen könnten. Anders läge der Fall etwa dann, wenn es sich beim Kläger um einen Spitzenrepräsentanten der öffentlichen Finanzverwaltung handelte.

Zwar hat der Kläger im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit das Licht der Öffentlichkeit nicht gescheut und mit Medien – auch durch Übergabe ihn zeigender Lichtbilder – eng zusammengearbeitet. Dass der Kläger aber eine Einwilligung zur Veröffentlichung seines Bildes im Zuge der Berichterstattung über das gegen ihn laufende Steuerverfahren erteilt hätte, ist nicht erwiesen.

Dem Unterlassungsbegehren war daher stattzugeben.