OGH-Entscheidung vom 7.10.2015, 15 Os 96/15d

Sachverhalt:

Im Juli 2014 wurde in einer Tageszeitung unter der Überschrift „Volksopern-Star als Rosenkrieger vor Gericht!“ ein Artikel veröffentlicht, in dem darüber berichtet wurde, dass gegen einen Opernsänger, der durch Nennung seines Berufs, seines Arbeitgebers, seines Alters, seiner Stimmlage, des Alters seines Sohns und des Berufs seiner Ex-Partnerin für einen nicht unmittelbar informierten größeren Personenkreis erkennbar gemacht wurde, ein Strafverfahren „wegen Körperverletzung, gefährlicher Drohung, Stalking und Sachbeschädigung“ im Stadium der Hauptverhandlung anhängig sei, weil er seine Ex-Partnerin „bedrohlich, beharrlich (…) und rabiat“ verfolge.

Entscheidung:

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien wurde die Medieninhaberin (Antragsgegnerin) der Tageszeitung zur Zahlung einer Entschädigung an den Opernsänger (Antragsteller) verpflichtet. Der dagegen gerichteten Berufung der Antragsgegnerin gab das Oberlandesgericht Wien dahin Folge, dass es den Ausspruch nach § 7 Abs 1 MedienG ersatzlos aufhob, die Verpflichtung zur Zahlung einer Entschädigung nach § 7a Abs 1 MedienG jedoch bestätigte, wobei es den Antragsteller als „Person öffentlichen Interesses“ wertete, ein „Überwiegen der Öffentlichkeitsinteressen gerade an der Identität des Tatverdächtigen“ jedoch verneinte.

Gegen diese Entscheidung richtete sich der Antrag auf Erneuerung des Verfahrens der Antragsgegnerin, die eine Verletzung von Art 10 MRK behauptet, weil bei einem „prominente[n] Künstler und damit eine[r] Person öffentlichen Interesses (…) nach gesicherter Rechtsprechung das Informationsinteresse der Öffentlichkeit im Sinne von § 7a Abs 1 MedienG“ überwiege. Der OGH wies den Antrag zurück. Aus der Begründung:

§ 7a Abs 1 MedienG gewährt einer Person, die einer gerichtlich strafbaren Handlung verdächtig ist, einen Anspruch auf Entschädigung für die erlittene Kränkung, wenn in einem Medium der Name, das Bild oder andere Angaben veröffentlicht werden, die geeignet sind, in einem nicht unmittelbar informierten größeren Personenkreis zum Bekanntwerden der Identität der Person zu führen, und hierdurch schutzwürdige Interessen dieser Person verletzt werden, ohne dass wegen deren Stellung in der Öffentlichkeit, wegen eines sonstigen Zusammenhangs mit dem öffentlichen Leben oder aus anderen Gründen ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung dieser Angaben bestanden hat. Schutzwürdige Interessen des Betroffenen werden jedenfalls verletzt, wenn sich die Veröffentlichung bloß auf ein Vergehen bezieht.

Der Ausgleich zwischen den widerstreitenden Grundrechten auf Freiheit der Meinungsäußerung (Art 10 MRK) einerseits und dem Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art 8 MRK) andererseits wird durch die nach § 7a Abs 1 MedienG gebotene Abwägung der schutzwürdigen Interessen des von der Berichterstattung Betroffenen gegenüber den Interessen der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung von zur Identifizierung geeigneten Angaben gewährleistet. Eine identifizierende Kriminalberichterstattung ist demnach nur zulässig, wenn für diese – nach einer einzelfallbezogenen Gesamtschau – wegen der Stellung des Betroffenen in der Öffentlichkeit, wegen eines sonstigen Zusammenhangs mit dem öffentlichen Leben oder aus anderen Gründen ein überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit gerade (auch) an den identifizierenden Angaben bestand.

Bei Beantwortung der Frage, ob die Identität der in § 7a Abs 1 MedienG genannten Personen preisgegeben werden darf, ist ein strenger Maßstab anzulegen, weil die Öffentlichkeit grundsätzlich kein rechtlich geschütztes Interesse hat, die Identität von Betroffenen zu erfahren. Im vorliegenden Fall hat das Oberlandesgericht Wien ein Überwiegen des Interesses der Öffentlichkeit an der Bekanntgabe identifizierender Angaben zum Tatverdächtigen im Ergebnis zu Recht verneint. Der Öffentlichkeitsbezug sei infolge lokaler Bekanntheit des Antragstellers als Künstler und Sohn eines denselben Familiennamen tragenden prominenten Vaters im konkreten Fall „nicht allzu stark“. Damit hat das Gericht den Betroffenen nur als „minderprominenten“ Künstler, sohin gerade nicht als eine Person angesehen, für deren Tun (außerhalb des Privat- und Familienlebens) sich die Öffentlichkeit in jedem Fall und unabhängig von einem sonstigen Zusammenhang mit dem öffentlichen Leben oder anderen Gründen interessieren darf.

Die Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung zum Schutz des guten Rufs war daher im konkreten Fall gesetzlich vorgesehen (§ 7a Abs 1 Z 2 MedienG), erforderlich und auch nicht unverhältnismäßig.

Der Erneuerungsantrag wurde daher zurückgewiesen.