OGH-Entscheidung vom 19.4.2023, 15 Os 25/23z

 

Sachverhalt:

Ein Mann erhob Privatanklage (wegen Beleidigung iSd § 115 Abs 1 StGB) gegen eine Frau, weil diese ihn öffentlich auf Facebook beschimpft hatte. Auf der Facebook-Seite eines anderen Medieninhabers war ein Foto des Privatanklägers samt Textnachricht veröffentlicht. Die Frau schrieb als Reaktion auf diesen Beitrag den Kommentar „Für mich sind solche sogenannten ‚Polizisten‘ die größten Feiglinge der Nation, die sich nur an alte Menschen vergreifen und Kinder.“

Der Privatankläger beantragte gemäß § 37 Abs 1 MedienG die Anordnung der Veröffentlichung einer kurzen Mitteilung über das eingeleitete Verfahren, wobei er – zum Schutz seiner Identität – anregte, seinen Namen und seine Adresse nicht in die Veröffentlichung aufzunehmen.

Mit Gerichtsbeschluss wurde dem Medieninhaber aufgetragen, nachstehende Mitteilung zu veröffentlichen:

Dieser Beschluss erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

 

Entscheidung:

Die Generalprokuratur erhob gegen den Gerichtsbeschluss Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes. Der OGH gab dieser statt. Der Gerichtsbeschluss verletzt § 37 Abs 1 MedienG.

Gemäß § 37 Abs 1 MedienG ist auf Antrag des Anklägers oder des Antragstellers in einem selbständigen Verfahren mit Beschluss die Veröffentlichung einer kurzen Mitteilung über das eingeleitete Verfahren anzuordnen, wenn anzunehmen ist, dass der objektive Tatbestand eines Medieninhaltsdelikts hergestellt worden ist. Die Veröffentlichung kann auch eine Sachverhaltsdarstellung umfassen, soweit diese zur Unterrichtung der Öffentlichkeit erforderlich ist. Der Antrag richtet sich immer gegen den Medieninhaber (auch wenn das Strafverfahren gegen einen Dritten geführt wird). Diese Bestimmung soll dem Bedürfnis des Betroffenen Rechnung tragen, nicht bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens warten zu müssen, um die Medienöffentlichkeit zu informieren, und er nicht gewillt ist, diese Veröffentlichung hinzunehmen.

Die Veröffentlichung einer den Namen des Privatanklägers oder Antragstellers nicht nennenden, diesen vielmehr anonymisierenden Mitteilung über das eingeleitete Verfahren widerspricht aber dem Telos des § 37 Abs 1 MedienG. Die Nennung des Namens desjenigen, der die Mitteilung begehrt, ist daher inhaltliche Voraussetzung für eine Anordnung nach § 37 Abs 1 MedienG.

Die ursprünglich vorgesehene Möglichkeit, eine solche Mitteilung auch in einem wegen

Dieser Beschluss wurde folglich vom OGH aufgehoben und es dem Landesgericht die neuerliche Entscheidung über den Antrag auf Veröffentlichung einer Mitteilung gemäß § 37 Abs 1 MedienG aufgetragen. Das nun neuerlich befasste Gericht ist nicht an den Formulierungsvorschlag des Antragstellers gebunden.

 

 

Link zum Entscheidungstext

 

Weitere Blog-Beiträge zum Thema Medienrecht:

Betreiber eines Nachtlokals ist „Drogendealer“? OGH sieht zulässige wertende Äußerung.

Frau berichtet über eigene Vergewaltigung auf Facebook. Vorverurteilung oder Meinungsäußerungsfreiheit?

Betrugsvorwurf: Im Rahmen politischer Auseinandersetzung genügt ein „dünnes Tatsachensubstrat“

Google-Bewertungen: Rein subjektive Werturteile grundsätzlich zulässig. Schutz der Persönlichkeitsrechte darf nicht überspannt werden.

Glückspielkonzern hat „Deal“ mit Regierungspartei? „Public Figures“ müssen höheren Grad an Toleranz gegenüber kritischer Berichterstattung zeigen.

Absprachen vor Untersuchungsausschuss: Medien dürfen als „public watchdog“ darüber berichten.

Recht auf Löschung aus Suchmaschinen („Recht auf Vergessenwerden“): Google muss nachweislich unrichtige Informationen auch ohne Gerichtsurteil löschen.

„Wahlleiter müssen weiter zittern“: Unwahre Berichterstattung ist nicht unbedingt kreditschädigend

Foto eines Justizwachebeamten bei Amtshandlung: Recht am eigenen Bild verletzt

OGH nach EuGH im Fall Glawischnig vs. Facebook: Pflicht zur weltweiten Löschung von wortgleichen und sinngleichen Postings

Haftungsbefreiendes Zitat im Medienrecht: Interesse der Öffentlichkeit muss sich auf Zitat selbst beziehen, nicht auf das berichtete Thema

„Wo Lügen zu Nachrichten werden…“ Facebook ist zur Löschung rechtswidriger Postings verpflichtet. Der OGH erklärt wann und wo.

„Übelster Kolumnisten-Schuft“ mit „dreckigen Fantasien“, stockbesoffener „Promille-Schreiber“… Wo liegen die Grenzen zulässiger Kritik?