OGH-Entscheidung vom 25.1.2023, 6 Ob 70/22w

 

Sachverhalt:

Die Beklagten veröffentlichten in ihrem Nachrichtenmagazin einen Artikel mit der vorsichtigen Formulierung in Form einer Frage, ob es einen „Deal“ der Klägerin (Glücksspielkonzern) mit einer Regierungspartei in Ansehung von Plänen zur Liberalisierung des Glücksspielmarkts gegeben habe. In dem Artikel fanden sich auch dementierende Stellungnahmen der Beteiligten. Die Artikelverfasser befanden die von ihnen aufgezeigten Umstände und Zusammenhänge als in diese Richtung verdächtig und berichteten darüber.

Die Klägerin klagte u.a. auf Unterlassung und stützte sich dabei auf § 1330 ABGB.

 

Entscheidung:

Unter den Begriff der Verbreitung von Tatsachen iSd § 1330 Abs 2 ABGB fallen auch bloße Verdächtigungen. Bei anderer Auslegung wäre diese gesetzliche Bestimmung gegen geschickte Formulierungen wirkungslos. Ein solcher Umgehungstatbestand liegt aber nicht vor, wenn in einem Medienartikel klar und vollständig offengelegt wird, auf welchem konkreten wahren Tatsachenkern ein geäußerter Verdacht beruht. Welcher Bedeutungsinhalt einer Äußerung letztlich beizumessen ist, richtet sich nach dem Zusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck, den ein redlicher Mitteilungsempfänger gewinnt.

Das Berufungsgericht war der Ansicht, der Durchschnittsadressat verstehe den Artikel lediglich dahin, dass die Artikelverfasser die von ihnen aufgezeigten Umstände und Zusammenhänge als in diese Richtung verdächtig befunden hatten. Die Klägerin sei – als weltweit führendes österreichisches Glücksspielunternehmen – im gegebenen Zusammenhang als „public figure“ anzusehen, die einen höheren Grad an Toleranz gegenüber kritischen Wertungen zeigen müsse. Der OGH befand diese Ansicht nicht für korrekturbedürftig. Jene Tatsachen, auf die die Artikelverfasser ihren Verdacht gründeten, wurden im veröffentlichten Artikel offengelegt. Die Unrichtigkeit dieser Tatsachen wurde von der Klägerin nicht behauptet.

Zu vergleichbaren Verdachtsvorwürfen im Zuge eines politischen Diskurses wurde bereits in anderen OGH-Entscheidungen ausgesprochen, dass diesen nicht der Bedeutungsinhalt des Vorwurfs einer strafbaren Handlung zu unterstellen sei. Die Frage, ob sich die Klägerin einer gerichtlich strafbaren Handlung schuldig gemacht haben könnte, wurde im verfahrensgegenständlichen Artikel nicht einmal angedeutet. Auch der wesentliche Inhalt der Stellungnahme der Klägerin auf die Anfrage der Beklagten wurde wiedergegeben. Ein Wertungsexzess liegt daher im Hinblick auf die Stellung der Klägerin als „public figure“ nicht vor.

 

Link zum Entscheidungstext

 

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