OGH-Entscheidung vom 2.2.2022, 6 Ob 243/21k

 

Sachverhalt:

Die Klägerin ist Finanzbeamtin. Dem Beklagten wurde nachträglich eine unbefristete Berufsunfähigkeitspension zuerkannt. Daher musste eine Rückzahlungsverpflichtung bzw Gegenverrechnung von bereits ausbezahlten steuerfreien Leistungen des AMS geprüft werden. Die Klägerin war zuständige Sachbearbeiterin in diesem Verfahren. Der Beklagte fühlte sich aus verschiedenen Gründen falsch von der Klägerin beraten bzw behandelt. In verschiedenen Rechtsmitteln und Schreiben an Behörden äußerte er seinen Unmut über die Klägerin deutlich. Unter anderem sei eine einvernehmliche Vorgangsweise „offenkundig nur vorgetäuscht“. Er beurteile das Vorgehen der Klägerin als „Konstruktion einer mutwilligen Täuschung“. Eine angefochtene Entscheidung stelle eine „wissentliche und zur vorsätzlichen Schädigung des Beschwerdeführers bewusst vorgenommene rechtswidrige Vorgangsweise der Finanzbeamtin“ dar. Außerdem richtete der Beklagte Schreiben an den zuständigen Richter des Bundesfinanzgerichts, die Vorständin des Finanzamtes sowie an das Bundesministerium für Finanzen/Personalangelegenheiten, bei dem er Disziplinaranzeige gegen die Klägerin erstattete.

Der Beklagte hielt die gegen die Klägerin erhobenen Vorwürfe für inhaltlich richtig.

Die Finanzbeamtin klagte daraufhin auf Unterlassung und Widerruf.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht wies die Klage ab, weil nach § 1330 Abs 2 Satz 3 ABGB keine Haftung für eine nicht öffentlich vorgebrachte Mitteilung bestehe, deren Unwahrheit der Mitteilende nicht kenne, wenn er oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse hatte. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der OGH befand die Revision der Klägerin zur Klarstellung der Rechtslage zwar für zulässig, aber nicht berechtigt:

Nach § 1330 Abs 2 Satz 3 ABGB haftet der Äußernde nicht für eine nicht öffentlich vorgebrachte Mitteilung, deren Unwahrheit er nicht kennt, wenn er oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse hatte. Als „nicht öffentliche Mitteilung“ im Sinne des § 1330 Abs 2 Satz 3 ABGB sind nach der Rechtsprechung Mitteilungen gegenüber einer zur Verschwiegenheit verpflichteten Behörde, wie etwa Anzeigen (Eingaben) an die zuständige Standesbehörde anzusehen, wenn für deren Mitglieder eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht besteht, eine Mitteilung an eine Berufsvertretung, Mitteilungen an die Vollversammlung der Arbeiterkammer im Hinblick auf deren Kontrollfunktion, ein Schreiben an den Vereinsvorstand, odgl. Die Behörde muss allerdings sachlich zuständig sein, weil nur dann berechtigtes Empfangsinteresse vorliegen kann.

Die Frage der sachlichen Zuständigkeit des Erklärungsempfängers kann nur aufgrund der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden. Der Auffassung der Klägerin, wonach die zuständige staatliche Stelle für strafgerichtliche Anschuldigungen ausschließlich die Staatsanwaltschaft oder die Sicherheitsbehörde sei, konnte der OGH im vorliegenden Zusammenhang nicht folgen. Vielmehr ist ein Interesse der Vorstände des Finanzamts bzw des Finanzministeriums als zuständiger Oberbehörde an Mitteilungen über allfälliges strafrechtliches oder disziplinarrechtliches Fehlverhalten von Mitarbeitern des Finanzamts zweifellos zu bejahen. Gleiches gilt für das Bundesfinanzgericht jedenfalls dann, wenn es – wie im vorliegenden Fall – im Zuge eines anhängigen Verfahrens konkret mit der Nachprüfung von Bescheiden der betreffenden Mitarbeiterin des Finanzamts befasst ist und die Vorwürfe sich gerade auf dieses konkrete Abgabenverfahren beziehen.

Die Auffassung des Berufungsgerichts, wonach eine „Konsumation“ des Anzeigerechts des Beklagten schon aufgrund der unterschiedlichen Aufgaben der jeweils befassten Behörden bzw Stellen nicht vorliege, hielt der OGH für nicht korrekturbedürftig.

 

 

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