OGH-Entscheidung vom 30.3.2020, 4 Ob 36/20b

 

Sachverhalt:

Dem ORF stehen im Rahmen seiner Tätigkeit als Rundfunkveranstalter die ausschließlichen Werknutzungsrechte an einer Vielzahl von Lichtbildern zu, die in seinem Auftrag angefertigt wurden. Ein solches Lichtbild zeigte den Moderator Armin Wolf im Nachrichtenstudio. Dieses Foto wurde ohne Zustimmung des ORF auf der Facebook-Seite eines FPÖ-Politikers abrufbar gehalten, und zwar in einer bearbeiteten Version:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auf das Foto wurde der Text „Es gibt einen Ort, an dem Lügen zu Nachrichten werden. Das ist der ORF.“ hinzugefügt. Darunter stand in kleineren Buchstaben der Satz: „Das Beste aus Fake NEWS, Lügen und Propaganda, Pseudokultur und Zwangsgebühr. Regional und International. Im Fernsehen, im Radio und auf dem Facebook-Profil von Armin Wolf.“ Zudem ist die bekannte Kinderbuchfigur des Pinocchio mit langer Nase abgebildet. Zum anderen wurde die Fotomontage auch auf der Facebook-Seite „GIS-Gebühren nein danke“ abrufbar gehalten.

Facebook wurde im Februar 2018 mehrfach außergerichtlich unter Hinweis auf die Rechtsverletzungen aufgefordert, die beanstandeten Veröffentlichungen zu löschen. Facebook entsprach dieser Aufforderung nicht. Schließlich wurde von einem Facebook-Manager mitgeteilt, dass Facebook das Posting auf der Seite des FPÖ-Politikers nicht löschen werde.

Letztlich wurde das Posting infolge eines strafgerichtlichen Beschlusses auf der Grundlage des Mediengesetzes gegen den FPÖ-Politiker als Medieninhaber des Facebook-Profils von der Facebook-Seite des FPÖ-Politikers entfernt.

Der ORF beantragte zur Sicherung seines – auf § 81 UrhG und § 1330 ABGB gestützten – Unterlassungsbegehrens die Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Der OGH befand den Revisionsrekurs zur Klarstellung der Rechtslage für zulässig, aber nicht berechtigt. Aus der Begründung:

Der OGH bestätigte zunächst, dass die Mitgliedstaaten bzw deren Behörden nach Art 15 Abs 1 der EC-Richtlinie 2000/31/EG keine Maßnahmen erlassen dürfen, die einen Host-Provider verpflichten, von ihm gespeicherte Informationen allgemein zu überwachen. Es besteht daher keine allgemeine Überwachungspflicht für Facebook.

In der Entscheidung betreffend die frühere Grünen-Parteichefin Eva Glawischnig (hier im Blog nachzulesen), hat der EuGH dazu ausgesprochen, dass diese Bestimmung den Mitgliedstaaten zwar verbiete, Host-Providern eine allgemeine Verpflichtung auferlegen, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen; dies aber nicht für Überwachungspflichten „in spezifischen Fällen“ gelte. Ein solcher „spezifischer Fall“ kann unter anderem in einer konkreten Information begründet sein, die vom Host-Provider im Auftrag eines bestimmten Nutzers gespeichert wurde, und deren Inhalt von einem zuständigen Gericht analysiert und beurteilt wurde, das diese Information nach Abschluss seiner Würdigung für rechtswidrig erklärt hat.

Für Access-Provider und Host-Provider ergibt sich daher keine allgemeine Überwachungspflicht hinsichtlich der von ihnen übermittelten oder gespeicherten fremden Inhalte besteht. Sie dürfen nicht dazu verpflichtet werden, von sich aus aktiv nach rechtswidrigen Inhalten zu suchen. Die Anordnung zielgerichteter Überwachungsmaßnahmen der nationalen Behörden ist aber zulässig; dazu gehören insbesondere Unterlassungsanordnungen der Zivilgerichte. Die Überwachungspflicht des Providers wird dabei durch eine „konkrete Information“ (qualifizierter Hinweis oder Abmahnung nach § 81 Abs 1a UrhG) ausgelöst.

Zur Vermeidung jedes weiteren Schadens kann das Gericht vom Host-Provider verlangen, den Zugang zu gespeicherten Informationen, deren Inhalt wortgleich mit dem zuvor für rechtswidrig erklärten Inhalt ist, zu sperren oder zu entfernen. Sinngleiche Inhalte sind solche, die im Kern dem als rechtswidrig beurteilten Inhalt entsprechen. Im Rahmen dieser Beurteilung ist ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen des Klägers und die des Providers, keine unverhältnismäßigen Überwachungsmaßnahmen vornehmen zu müssen, herzustellen. Eine Unterlassungsanordnung ist daher dann zulässig, wenn sich die „Kern-Übereinstimmung“ auf den ersten laienhaften Blick ergibt oder durch technische Mittel (zB Filtersoftware) festgestellt werden kann. Für den Anlassfall folgerte der OGH aus den dargelegten Grundsätzen, dass die einstweilige Verfügung das von der Beklagten zu unterlassende Verhalten konkret genug angab und keine unverhältnismäßige Verpflichtung für die Beklagte ergab.

Zur weltweiten Wirkung der einstweiligen Verfügung führte der OGH aus, dass die Unterlassungsanordnung keine Beschränkung der räumlichen Reichweite enthielt. Auch der EuGH bejaht die grundsätzliche Zulässigkeit weltweiter Unterlassungsanordnungen und geht davon aus, dass die EC-Richtlinie grundsätzlich eine solche weltweite Wirkung intendiert; wenngleich die Bestimmungen der Richtlinie den auf internationaler Ebene geltenden Regeln entsprechen sollen. Dazu gehören vor allem die Regeln, die im Rahmen internationaler Übereinkommen, wie zB der WTO, der OECD oder der UNCITRAL, ausverhandelt wurden. Für die nationalen Behörden und Gerichte bedeutet dies, dass sie im Rahmen ihrer Entscheidungen auf die jeweiligen international anerkannten Rechtsgrundsätze Bedacht zu nehmen haben.

Für das Urheberrecht ist in dieser Hinsicht der Grundsatz der Territorialität anerkannt. Dies bedeutet, dass sich der von einem Kläger in Anspruch genommene Schutz nach dem österreichischen Urheberrecht nur auf Österreich bezieht und der Kläger daher nur einen auf Österreich beschränkten Unterlassungsanspruch geltend machen kann. Die Verletzungshandlung muss demnach in Österreich begangen worden sein oder sich auf Österreich auswirken. Der urheberrechtliche Anspruch, so wie auch andere immaterialgüterrechtliche Ansprüche, ist nicht weltumspannend ausgerichtet, sondern territorial begrenzt. Anderes gilt jedoch für den Schutz von Persönlichkeitsrechten. Solche Rechte sind grundsätzlich nicht territorial begrenzt.

In Bezug auf Unterlassungsanordnungen, die nicht von vornherein nach dem Territorialitätsprinzip räumlich beschränkt sind, stellt sich im gegebenen Zusammenhang die Frage, ob der Kläger eine Erklärung zum räumlichen Schutzbereich abgeben muss. Dazu besteht in der Rechtsprechung des OGHs der Grundsatz, dass der Kläger deutlich zum Ausdruck bringen muss, wenn er den Schutz aus einer Unterlassungsverfügung nicht nur für das Inland, sondern auch für bestimmte fremde Staaten begehrt. Mangels entsprechender Anhaltspunkte muss sonst angenommen werden, dass der Schutz nur für Österreich angestrebt wird. Auch persönlichkeitsrechtliche Unterlassungsansprüche können nicht anders behandelt werden. Bei Unterlassungspflichten eines Host-Providers habe es also wegen der Möglichkeiten des Geoblocking dabei zu bleiben, dass mit einem Unterlassungsbegehren vor einem österreichischen Gericht im Zweifel nur Unterlassungsansprüche bezogen auf Österreich, das heiße bezüglich der Veröffentlichung einer Äußerung gegenüber Internetnutzern in Österreich, geltend gemacht würden.

Für den Anlassfall ergibt sich daher, dass die Unterlassungsanordnung aus der geltend gemachten Urheberrechtsverletzung von vornherein nach dem Territorialitätsprinzip auf den Schutz in Österreich beschränkt ist. Zur geltend gemachten Verletzung von Persönlichkeitsrechten hat der Kläger keine ausdrückliche Erklärung zur Reichweite des Unterlassungsgebots abgegeben. Dementsprechend kann sich auch die Unterlassungsanordnung aus der Verletzung von Persönlichkeitsrechten nur auf den Schutz in Österreich beziehen.