OGH-Entscheidung vom 10.9.2020, 6 Ob 135/20a

 

Sachverhalt:

Der Beklagte gab auf Internetplattformen Bewertungen über Unternehmen ab, die auf Schilderungen seiner Mutter basierten; im konkreten Fall über den Ablauf der Rückgabe der Mietwohnung seiner Eltern an den Geschäftsführer der Klägerin. Auf der Internetplattform Google verfasste er über das Unternehmen unter seinem eigenen Namen folgende Bewertung (versehen mit einem von fünf Sternen):

„Sehr herablassende Umgangsweise gegenüber Kunden/Mietern. Makler beleidigt, bedroht und denunziert Mieter bei Wohnungsübergabe – ein absolut unprofessionelles Auftreten. Zum Glück gibt es auch andere Immobilienmakler, die Menschen mit Wertschätzung gegenüber treten.“

Diese Bewertung gab der Beklagte von sich aus ab, ohne dass seine Eltern davon wussten. Der Beklagte bezog sich darauf, dass der Geschäftsführer seine Eltern nicht mit Handschlag begrüßte, das Wort „Dahergelaufener“ verwendete und den Umstand erwähnte, dass er wisse, wo seine Eltern wohnten. Der Beklagte selbst war beim Übergabetermin nicht anwesend.

Das Immobilienunternehmen klagte auf Beseitigung des Kommentars, Unterlassung und Zahlung von Schadenersatz.

 

Entscheidung:

Das Berufungsgericht verpflichtete den Beklagten zur Beseitigung des Kommentars und zur Unterlassung, wies jedoch das Zahlungsbegehren über EUR 2.000 ab. Beide Streitparteien erhoben Revision gegen diese Entscheidung.

Der Beklagte vertrat in seiner Revision die Auffassung, dass es sich bei seiner Bewertung um ein Werturteil gehandelt habe, das auf ein im Kern wahres Tatsachensubstrat zurückzuführen gewesen sei. Der OGH führte hierzu aus, dass es zwar ständiger Rechtsprechung des OGH entspräche, dass (nur) ein ehrverletzendes Werturteil, dem die Basis eines konkreten und wahren Sachverhalts fehlt, als Beschimpfung dem Tatbild des § 1330 Abs 1 ABGB unterliegt, sich im Sachverhalt aber keinerlei stützende Anhaltspunkte für die Behauptungen des Beklagten fänden. Der Vorwurf einer Beleidigung und einer Drohung, dh strafbaren Verhaltens, sei jedenfalls als ehrenrührig anzusehen.

Die Argumentation des Beklagten, wonach Bewertungen auf Internetplattformen von anderen Lesern nicht für ,,bare Münze“ genommen werden, teilte der OGH nicht. Denn (auch) das Recht auf freie Meinungsäußerung deckt unwahre Tatsachenbehauptungen nicht. Werturteile, die konkludente Tatsachenbehauptungen sind, dürfen nicht schrankenlos geäußert werden. Überspitzte Formulierungen sind zwar unter Umständen hinzunehmen, aber nur soweit kein massiver Wertungsexzess vorliegt. Insofern bestätigte der OGH die Verpflichtung zur Beseitigung und Unterlassung durch den Beklagten.

 

Die Klägerin beanstandete in Ihrer Revision die Abweisung ihres Schadenersatzbegehrens iHv EUR 2.000. Die Unterstellung mangelnder Professionalität in der Arbeit, schlechte Umgangsformen, respektloser Umgang mit Dritten, herablassende Art sowie Bedrohung seien existenzgefährdend für die Klägerin. Durch die Äußerung sei der Wert des Unternehmens der Klägerin vermindert worden. Der OGH bestätigte jedoch die Auffassung des Berufungsgerichts, wonach die Klägerin nicht substanziiert behauptet habe, wie sich der Wert des Unternehmens der Klägerin durch die Äußerungen auf der Internetplattform in besagter Höhe geändert habe.

Im Übrigen ergäben sich aus dem Durchschnitt aller Bewertungen ein Wert von 3,2 Sternen. Nähme man die Bewertung des Beklagten weg, läge der Durchschnitt bei 3,8 Sternen. Der OGH kam daher zu dem Ergebnis, dass die Bewertung des Beklagten sich nicht in einem messbaren Ausmaß ausgewirkt hat. Auch der Revision der Klägerin wurde daher nicht Folge gegeben.