OGH-Entscheidung vom 20.12.2022, 4 Ob 140/22z

 

Sachverhalt:

Die Streitparteien sind beide Medieninhaberinnen von Tageszeitungen und konkurrieren miteinander. Die Klägerin bietet eine Kaufzeitung und eine Gratiszeitung an.

2021 veranstaltete die Klägerin eine „Impflotterie“, mit der sie für alle Österreicher, die sich bis zu einem bestimmten Datum gegen COVID-19 impfen ließen oder die bereits geimpft waren, Sach- und Geldpreise auslobte. Die Teilnahme erfolgte über ein Online-Formular. Es war technisch möglich, in das Teilnahmeformular keine oder falsche Daten einzugeben und das Formular so abzuschicken. Die Gewinner wurden automatisch ermittelt. Die Mitarbeiter der Klägerin überprüften dann den übermittelten Impfnachweis und erst dann, wenn diese Angaben stimmig waren, wurde der Gewinn verschickt.

In der Tageszeitung der Beklagten erschien daraufhin folgender Beitrag, in dem unter anderem geschrieben wurde „Nun veranstaltet sogar eine Billigzeitung eine Impflotterie […]“:

Die Klägerin klagte auf Unterlassung und Urteilsveröffentlichung. Dabei stützte sie sich auf §§ 1, 2 und 2a sowie § 7 Abs 1 UWG. Die Erlassung einer einstweiligen Verfügung beantragte sie ebenso. Die Beklagte erwiderte, die Klägerin sei im Artikel nicht erkennbar bezeichnet worden.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht gab der Klage und dem Sicherungsantrag zur Gänze statt. Das Berufungs- und Rekursgericht bestätigte die einstweilige Verfügung und das Unterlassungsbegehren. Die dagegen gerichtete Revision der Beklagten war nach Ansicht des OGH zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig und berechtigt.

Das Vorliegen von Wettbewerbsabsicht ist seit der UWG-Novelle 2007 kein Tatbestandselement des § 1 UWG mehr (sehr wohl jedoch des § 7 UWG). Im Rahmen des § 1 UWG ist es daher schon ausreichend, wenn das beanstandete Verhalten objektiv geeignet ist, den Wettbewerb zu fördern.

Welchen Eindruck eine Aussage vermittelt, ist danach zu prüfen, wie sie nach dem Zusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck ein redlicher, durchschnittlich informierter und verständiger Adressat bei Aufwendung einer dem Anlass angemessenen Aufmerksamkeit versteht.

Wenn ein Mitbewerber an einer Debatte öffentlichen Interesses teilnimmt, so hat die Freiheit der Meinungsäußerung bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung seiner Aussagen ein höheres Gewicht als bei rein unternehmensbezogenen Äußerungen. Dabei ist insbesondere die Bedeutung des Themas zu berücksichtigen. Je größer das Informationsinteresse der Öffentlichkeit ist und je weniger die Wettbewerbsabsicht des Äußernden im Vordergrund steht, umso eher wird die Äußerung zulässig sein.

Der OGH gab der Beklagten insofern in ihrer Argumentation recht, dass der Artikel in einer Gesamtbetrachtung nicht vordergründig unternehmensbezogene Äußerungen der Beklagten erkennen ließ, sondern sich in genereller Weise mit der damals diskutierten Frage der COVID-19-Impfung auseinandersetzte. In diesem Zusammenhang kommt der Titulierung als „Billigzeitung“ keine besondere Bedeutung zu.

Die Zeitungen der Klägerin werden in erheblich geringerem Maße durch Einnahmen aus dem Verkauf finanziert. Dieser Umstand wurde in zwar verkürzter, aber nicht pauschalisierender Form dargestellt. Der Artikel brachte zum Ausdruck, dass Medien dieser Art gerade im Zusammenhang mit ernsthaften gesellschafts- und gesundheitspolitischen Fragen mit Aktionen wie solchen „Impflotterien“ wohl erhöhte Aufmerksamkeit primär für das Medium selbst generieren wollen. Das Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung überwog daher in der Gesamtbetrachtung. Die Klage wurde zur Gänze abgewiesen.

 

 

Link zum Entscheidungstext

 

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