OGH-Entscheidung vom 23.9.2022, 4 Ob 106/22z

 

Sachverhalt:

Die Klägerin ist Medieninhaberin eines Fernsehsenders. Die Beklagte ist Medieninhaberin von (Kauf- und Gratis-)Tageszeitungen. Darin veröffentlichte die Beklagte einen Text, wonach der Sender der Klägerin nur 0,03 % Marktanteil besitze und es daher kein Wunder sei, „dass die deutschen Miteigentümer […]-TV jetzt abdrehen wollen“.

Die Klägerin sah darin eine unlautere Herabsetzung ihres Unternehmens und klagte gestützt auf § 7 UWG auf Unterlassung, Urteilsveröffentlichung und Zahlung eines immateriellen Schadenersatzes von 10.000 EUR. Die Behauptung, der von der Klägerin betriebene Fernsehsender werde eingestellt, bewirke die maximale Kreditschädigung, weil dies die eminente Gefahr erzeuge, dass sich Kunden bzw Interessenten sofort von der Klägerin abwenden.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht wies die Klage ab, da die Äußerung im Kern wahr sei. Das Berufungsgericht hob dieses Urteil zum Teil auf, bestätigte aber die Abweisung des Zahlungsbegehrens, weil die beanstandete Veröffentlichung jedenfalls keine besonders schwere Beeinträchtigung der Klägerin begründe. Der OGH befand die außerordentliche Revision der Klägerin für unzulässig.

§ 7 Abs 1 UWG gewährt dem durch die Behauptung oder Verbreitung herabsetzender Tatsachen Verletzten einen Schadenersatzanspruch, sofern diese Tatsachen nicht erweislich wahr sind. Das Gesetz normiert hier eine Verschuldenshaftung mit umgekehrter Beweislast.

Gemäß § 16 Abs 2 UWG gehört zum Umfang der Schadenersatzpflicht auch ein angemessener Zuspruch einer Geldbuße als Vergütung für erlittene Kränkungen oder andere persönliche Nachteile, wenn dies in den besonderen Umständen des Falles begründet ist. Die Vergütung nach § 16 Abs 2 UWG aF kann auch juristischen Personen zugesprochen werden, weil Kopf und Träger des Unternehmens immer eine physische Person ist. Größere juristische Personen können wegen ihrer Struktur keinen Schadenersatzanspruch wegen „erlittener Kränkung“ haben; ihnen ist aber eine dem richterlichen Ermessen unterliegende Geldbuße zuzusprechen, wenn mit einem ernstlich beeinträchtigenden Wettbewerbsverstoß eine Verletzung des äußeren sozialen Geltungsanspruchs als Ausfluss des Persönlichkeitsrechts verbunden ist. Dabei sind auch die damit verbundenen, nicht bezifferbaren Vermögensschäden zu berücksichtigen. Gradmesser für die Höhe des Schadens sind der von der betroffenen juristischen Person erlangte Ruf und seine durch die Schwere der Wettbewerbsverletzung herbeigeführte Beeinträchtigung.

Im vorliegenden Fall sah der OGH keine Fehlbeurteilung der Vorinstanzen, zumal sich keine besonders schwere Beeinträchtigung der sozialen Wertstellung der Klägerin aus dem Verhalten der Beklagten ableiten lasse. Mit der aufgestellten Behauptung wurde nicht der wirtschaftliche Ruin der Klägerin bezweckt, sondern es handelte sich bloß um eine – in die Zukunft gerichtete – Schlussfolgerung bei wirtschaftlicher Betrachtung des niedrigen Marktanteils. Die von der Beklagten im beanstandeten Artikel gemachten Angaben zu Durchschnittsreichweite und Marktanteil wurden von der Klägerin nicht angezweifelt. Das Vorliegen von „besonderen Umständen“ iSv § 16 Abs 2 UWG war daher zu verneinen.

 

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