OGH-Entscheidung vom 12.5.2020, 15 Os 129/19p (15 Os 130/19k)

 

Sachverhalt:

Die Antragsgegnerin veröffentlichte auf ihrer Website einen Artikel mit der Überschrift „Amtsmissbrauchs-Anklage gegen Ex-Landeshauptmann D***** rechtskräftig“, in welchem behauptet wurde, dass die Anklageschrift der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen den Antragsteller rechtskräftig sei. Der Anklageschrift zufolge, solle der Antragsteller seinen Mitarbeitern eine rechtswidrige Weisung zur Ausstellung fingierter Rechnungen erteilt haben.

 

Entscheidung:

In erster Instanz wurde der Antragsgegnerin nach § 6 Abs 1 MedienG die Zahlung einer Entschädigung von EUR 2.000,00 an den Antragsteller auferlegt; zudem wurde sie zur Urteilsveröffentlichung verpflichtet. Der dagegen erhobenen Berufung wurde nicht Folge gegeben. Dagegen richtete sich der Antrag der Antragsgegnerin auf Erneuerung des Verfahrens gemäß § 363a StPO iVm § 41 Abs 1 MedienG, mit welchem eine Verletzung im Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung nach Art 10 MRK behauptet wurde. Dem Antrag kam jedoch keine Berechtigung zu. Aus der Begründung des OGH:

Für einen – wie hier – nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Erneuerungsantrag, gelten alle gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und Art 35 MRK sinngemäß. Opfereigenschaft nach Art 34 MRK ist nur anzunehmen, wenn der Beschwerdeführer substantiiert und schlüssig vorträgt, in einem bestimmten Konventionsrecht verletzt zu sein. Daher hat ein Erneuerungsantrag gemäß § 363a StPO per analogiam deutlich und bestimmt darzulegen, worin die Grundrechtsverletzung liegt.

Zur Frage, ob der Umstand, einer Straftat verdächtig zu sein, eine üble Nachrede iSd § 111 Abs 1 StGB darstelle; führte der OGH aus, dass tatbestandsmäßig nach § 111 Abs 1 StGB nicht nur der Vorwurf der Begehung einer eine gerichtlich strafbare Handlung verwirklichenden Tat ist, sondern schon die Äußerung eines dementsprechenden Tatverdachts, also die Behauptung, es gäbe Anhaltspunkte dafür, dass der Betreffende eine solche Tat begangen habe. Die Äußerung eines (bloßen) Tatverdachts, die in aller Regel die Annahme impliziert, die Tatbegehung sei dem Betreffenden jedenfalls zuzutrauen, ist nämlich die abgeschwächte Form des Tatvorwurfs selbst. Die Bejahung des Anspruchstatbestands nach § 6 Abs 1 MedienG war daher nicht zu beanstanden.

Die journalistische Sorgfaltspflicht wurde von der Antragsgegnerin nicht ausgereicht eingehalten, da sie sich mit der gegenüber einem anderen Medium abgegebenen Auskunft des Mediensprechers des betreffenden Landesgerichts begnügt hat. Die Einhaltung der journalistischen Sorgfaltspflicht trifft die Medieninhaberin selbst; sie darf sich nicht auf die Recherchen der von ihr verwendeten Quellen verlassen.

Es liegt auch kein Ausschlussgrund nach § 6 Abs 2 Z 4 MedienG vor. Nach der genannten Bestimmung besteht der Anspruch nach § 6 Abs 1 MedienG nicht, wenn es sich um eine wahrheitsgetreue Wiedergabe der Äußerung eines Dritten (Zitat) handelt und ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Kenntnis der zitierten Äußerung bestanden hat. Bei einer Überdehnung des Zitatentatbestands bestünde die Gefahr, dass Ehrangriffe in erheblichem Ausmaß ohne nähere Prüfung des Wahrheitsgehalts verbreitet werden könnten, wenn dies nur unter Nennung der Quelle, mit zutreffender Wiedergabe und ohne Identifikation erfolgt.

Das Abgrenzungskriterium zu § 6 Abs 2 Z 2 lit b MedienG (Wahrnehmung journalistischer Sorgfalt) ist, dass beim haftungsbefreienden Zitat stets die Äußerung des Dritten das legitime Informationsinteresse begründet, sich das Interesse der Öffentlichkeit somit gerade auf den Umstand richtet, dass sich jemand zu einer bestimmten Angelegenheit in einer bestimmten Weise geäußert hat. Das Zitierprivileg kann daher nur für Äußerungen und nicht für die Berichterstattung über die Sache selbst beansprucht werden. Steht dagegen diese im Vordergrund, so ist die Berichterstattung dem Maßstab der journalistischen Sorgfaltspflicht (§ 6 Abs 2 Z 2 lit b MedienG) unterworfen, welcher nicht durch die Wiedergabe des zu Berichtenden als Zitat eines Dritten unterlaufen werden kann. Ob bei einer Berichterstattung die Sache selbst oder aber die Tatsache der Äußerung eines Dritten im Vordergrund steht und solcherart der Ausschlussgrund nach § 6 Abs 2 Z 4 MedienG überhaupt in Betracht kommt, richtet sich nach dem Bedeutungsinhalt der Publikation.

Der Antrag auf Erneuerung des Verfahrens wurde daher vom OGH zurückgewiesen.