OGH-Entscheidung vom 25.4.2019, 6 Ob 235/18d

 

Sachverhalt:

Der Kläger ist Kolumnist der größten österreichischen Tageszeitung. Die Beklagte ist ebenfalls Medieninhaberin einer österreichischen Tageszeitung sowie eines zugehörigen Onlineportals.

Über den Tod von Alois Mock schrieb die Beklagte auf ihrer Titelseite „Mock: Bewegender Parkinson-Tod“. Der Kolumnist der Klägerin verstand diese Schlagzeile als geschmacklose Anspielung auf die Parkinson-Erkrankung von Alois Mock. Er verfasste daraufhin eine Kolumne, in der er die Tageszeitung der Beklagten als „Krawallblatt“ und die Schlagzeile als „widerwärtig“ bezeichnete, wofür der (namentlich genannte) Herausgeber und Chefredakteur verantwortlich sei.

Als Reaktion auf diese Kolumne veröffentlichte die Beklagte ein Bild des Klägers sowie folgenden Text:

„In der gesamten Branche weiß man, dass der übelste Kolumnisten-Schuft in diesem Land den Namen ***** [Kläger] trägt. Der Mann wird wegen seiner hetzerischen Kommentare serienweise vom Presserat verurteilt – und gewinnt jedes Ranking der ‚miesesten Journalisten‘ im Land um Längen.

Als einzige Entschuldigung für die Sudelfeder gilt, dass ***** [Kläger] seine Kolumnen bevorzugt unter starkem Alkoholeinfluss verfasst, worauf er im Small Talk sogar stolz ist.

Der Promille-Pegel dürfte ziemlich hoch gewesen sein, als ***** [Kläger] gestern seine Kolumne für die heutige Sonntags-***** tippte. In einer absurd infamen Weise beschuldigt der Promille-Schreiber darin ***** mit seinem Titel ‚Mock: Bewegender Parkinson-Tod‘ den ‚widerwärtigsten Gag‘ seit Langem produziert zu haben.

Man muss schon viele Achterl intus haben …

Man muss schon viele Achterl intus haben – sprich, stockbesoffen sein – um in der sensiblen *****-Berichterstattung [der Beklagten] über jenen Todesfall, der tatsächlich das ganze Land tief bewegt hat, einen ‚Gag‘ zu finden.

Die Branche weiß, dass Herr ***** [Kläger] ein Spezialist für dreckige Witze ist – über Frauen, offenbar auch über Behinderte und Kranke. Den eigenen dreckigen Humor aber einer Konkurrenz-Zeitung anzudichten, die mit ihrer Berichterstattung über Alois Mock viel Mitgefühl gezeigt hat, ist eine Frechheit. Das ist auch mit übermäßigem Alkohol-Konsum nicht zu entschuldigen. Besoffene sollten keine Kolumnen schreiben. Auch nicht in der ***** Zeitung.

Alkoholisierte Kolumnisten in Pension!

Der Titel über den ‚bewegenden Tod‘ von Alois Mock in ***** [Medien der Beklagten] hat keinen einzigen Leser gestört, es gibt kein einziges Mail dazu. Jeder nüchterne Mensch weiß, dass mit ‚bewegend‘ natürlich das Mitgefühl gemeint war, das dieser Tod und Mocks Leiden bei allen ausgelöst hat. Und von genau diesem Mitgefühl war die gesamte Berichterstattung in ***** [Medien der Beklagten] über Tod und Krankheit von Alois Mock geprägt.

Wir verwehren uns gegen dreckige Fantasien und Unterstellungen von alkoholisierten Kolumnisten. Sie sollten endlich in Pension gehen.

Die Redaktion von ***** [Medien der Beklagten]“

 

Der Kläger klagte daraufhin u.a. auf Unterlassung. Der Beklagten solle es untersagt werden, Bildnisse des Klägers öffentlich zu verbreiten, wenn im Zusammenhang mit dieser Bildverbreitung die berechtigten Interessen des Klägers dadurch verletzt werden, dass er als „übelster Kolumnisten-Schuft“, „Besoffener“, „stockbesoffen“, „Promille-Schreiber“ oder „Sudelfeder“ bezeichnet, er „dreckiger Fantasien“ bezichtigt und ihm unterstellt wird, seine berufliche Tätigkeit als Kolumnist in alkoholisiertem Zustand zu verrichten.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht gab den Unterlassungsbegehren mit Ausnahme der Bezeichnung „Sudelfeder“ sowie den insoweit modifizierten Urteilsveröffentlichungsbegehren statt. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und ließ die Revision nicht zu.

Die außerordentliche Revision der Beklagten richtete sich nur noch gegen die Unterlassungsverpflichtungen betreffend die Bezeichnung des Klägers als „übelster Kolumnisten-Schuft“ sowie der Bezichtigung, dieser habe „dreckige Fantasien“ und sowie gegen die jeweilige Urteilsveröffentlichung. Die Beklagte brachte vor, dass im medienrechtlichen Entschädigungsverfahren des Klägers gegen die Beklagten aufgrund der hier inkriminierten Artikel die Bezeichnung des Klägers als „übelster Kolumnisten-Schuft“ samt Bezichtigung „dreckiger Fantasien“ rechtskräftig als zulässig erachtet worden sei. Demnach liege für diese Behauptungen ein hinreichendes Tatsachensubstrat vor, sodass es sich um zulässige Werturteile handle, die im Sinn des Art 10 EMRK zulässig seien.

Der OGH führte in seiner Entscheidung zunächst aus, dass nach § 78 Abs 1 UrhG Bildnisse von Personen weder öffentlich ausgestellt noch auf eine andere Art, wodurch sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, verbreitet werden dürfen, wenn dadurch berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt würden.

Nach Art 10 Abs 1 MRK hat jedermann Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Bei der Abgrenzung zwischen übler Nachrede und Ehrenbeleidigung einerseits und zulässiger Kritik bzw Werturteil andererseits ist auch eine Interessenabwägung vorzunehmen, wobei auf das Recht der freien Meinungsäußerung Bedacht genommen werden muss. Für die Abgrenzung ist die Art der eingeschränkten Rechte, die Schwere des Eingriffs, die Verhältnismäßigkeit zum verfolgten Zweck, der Grad der Schutzwürdigkeit des Interesses aber auch der Zweck der Meinungsäußerung entscheidend. Solange bei wertenden Äußerungen die Grenzen zulässiger Kritik nicht überschritten werden, kann auch massive, in die Ehre eines anderen eingreifende Kritik, die sich an konkreten Fakten orientiert, zulässig sein. Auf unwahren bzw nicht hinreichenden Tatsachenbehauptungen beruhende negative Werturteile oder Wertungsexzesse fallen jedoch nicht unter den Schutzbereich des Art 10 MRK und sind daher nicht zulässig.

Die Grenzen der zulässigen Kritik sind bei Politikern und generell bei Personen des öffentlichen Lebens weiter zu ziehen als bei Privatpersonen.

Im vorliegenden Fall kam der OGH daher zu folgendem Ergebnis:

Der Kläger hat den Geschäftsführer der beklagten Partei anlässlich der Berichterstattung über den Tod von Alois Mock überaus heftig und unsachlich kritisiert und ihm indirekt unterstellt, sich durch die kritisierte Berichterstattung über die Parkinsonerkrankung des Verstorbenen lustig zu machen. Insbesondere die genannte Unterstellung liegt aber für einen unbefangenen Konsumenten des Berichts der Beklagten keineswegs nahe, sondern ist weit hergeholt und wirkt konstruiert.

Dies ist hinreichendes Tatsachensubstrat für die von den Beklagten am Kläger mit den beiden noch streitgegenständlichen heftigen Ausdrücken geäußerte Kritik, die nach Auffassung des Senats vom Recht auf Meinungsfreiheit nach Art 10 EMRK gedeckt ist und noch keinen Wertungsexzess darstellt.

Insoweit war daher der Revision Folge zu geben und das Klagebegehren abzuweisen.