OGH-Entscheidung vom 17.2.2014, 4 Ob 124/13h

Sachverhalt:

In einer Tageszeitung erschien ein Artikel über einen Brand in der Wohnung eines Rechtsanwalts. Es wurde ein Bild veröffentlicht, das besagten Rechtsanwalt und im Hintergrund die Fassade seines Wohnhauses zeigte. Die in Mitleidenschaft gezogene Fassade war auf dem Bild durch einen Kreis gekennzeichnet. Im Begleittext mit der Überschrift „Promi-Anwalt [Name]: Feuer verwüstet Luxus-Wohnung!“ hieß es: „Schock in der Familie von Promi-Anwalt [Name]! Im Kamin im Dachgeschoß des Hauses in Wien-Leopoldstadt brach ein Brand aus. Als die Feuerwehr eintraf, hatten die Flammen bereits auf den Dachstuhl und das benachbarte Hotel übergegriffen. Die Brandbekämpfer waren mehr als drei Stunden im Einsatz. Die Wohnung des Rechtsanwalts ist durch das Löschwasser und die Verrußung schwer beschädigt – und vorerst unbewohnbar.“

Der Rechtsanwalt klagte gemäß § 78 UrhG auf Unterlassung und Zahlung von Schadenersatz. Aufgrund der Angaben in Text und Bild des Artikels sei für den Leser seine Wohnadresse identifizierbar. Er habe aber als Strafverteidiger ein erhöhtes Sicherheitsinteresse daran, dass seine Wohnadresse geheim bleibe.

Entscheidung:

Das Erstgericht gab dem Unterlassungsbegehren statt und wies das Zahlungsbegehren ab. Das Berufungsgericht wies auch das Unterlassungsbegehren ab.

Der OGH lies die außerordentliche Revision zu und gab dem Unterlassungsbegehren Folge. Aus der Begründung:

Die Verletzung berechtigter Interessen des Abgebildeten iSv § 78 UrhG ergibt sich aus der Wertung des Gesetzgebers, dass jedenfalls die Intimsphäre einer Person grundsätzlich jeder Erörterung in der Öffentlichkeit entzogen ist. Der „höchstpersönliche Lebensbereich“ bildet den Kernbereich der geschützten Privatsphäre und ist daher einer den Eingriff rechtfertigenden Interessenabwägung regelmäßig nicht zugänglich. Er ist nicht immer eindeutig abgrenzbar, erfasst aber jedenfalls die Gesundheit, das Sexualleben und das Leben in und mit der Familie.

Es ist im Einzelfall nicht ausgeschlossen, dass auch eine Darstellung von Wohnverhältnissen wegen des dadurch möglichen Rückschlusses auf die Persönlichkeit des Bewohners diesen Kernbereich berührt. Das trifft aber nicht zu, wenn eine Zeitung ohne Abbildung des Wohnungsinneren oder einer privaten Szene und in nicht reißerischer Weise – also nicht bloßstellend iSv § 7 Abs 1 MedienG – über Tatsachen berichtet, deren Richtigkeit nicht bestritten ist. Im vorliegenden Fall berührt die Veröffentlichung nicht den höchstpersönlichen Lebensbereich des Klägers. Es wird keine nähere Beschreibung seiner Wohnverhältnisse gegeben und die Bezeichnung seines Domizils als „Luxus-Wohnung“ beanstandete der Kläger nicht. Er wendet sich gegen die Identifizierbarkeit seiner Privatadresse und sieht sich dadurch in seinem Interesse an Sicherheit und Unversehrtheit verletzt. Was diese Identifizierbarkeit betrifft, ermöglichen es die Angaben im Artikel, die Wohnadresse des Klägers relativ einfach herauszufinden.

Bei der Prüfung, ob berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden, ist darauf abzustellen, ob die geltend gemachten Interessen des Abgebildeten bei objektiver Prüfung des einzelnen Falles als schutzwürdig anzusehen sind. Das Interesse eines Rechtsanwalts an der Geheimhaltung seiner Privatadresse ist als grundsätzlich schutzwürdig anzusehen.

Dieses Interesse des Klägers an der Wahrung seiner Anonymität (Art 8 EMRK) ist mit dem ebenfalls grundrechtlich geschützten Interesse der Beklagten an der Berichterstattung (Art 10 EMRK) abzuwägen. Die Interessenabwägung schlägt zugunsten des Klägers aus, denn es liegt auf der Hand, dass die Bekanntgabe der Privatadresse eines als Strafverteidiger tätigen Rechtsanwalts in dessen berechtigte Sicherheitsinteressen eingreift. Es ist kein Grund ersichtlich, welches Interesse die beklagte Medieninhaberin an der Veröffentlichung der Privatadresse des Klägers haben sollte.

Das Unterlassungsbegehren besteht daher zu Recht.

Im Unterschied zum hier berichteten Fall, lag keine vergleichbare Identifizierbarkeit der Wohnadresse der dortigen Klägerin vor. Ein Eingriff in berechtigte Interessen der Klägerin war dort auch deshalb zu verneinen, weil diese selbst ihre Beziehung zum Politiker und die Suche nach einer gemeinsamen Wohnung öffentlich gemacht hatte.