OGH-Entscheidung vom 20.1.2014, 4 Ob 216/13p

Sachverhalt:

Die Klägerin führte eine Beziehung mit einem bekannten FPÖ-Politiker. In einer Tageszeitung wurde berichtet, dass dieser Politiker einen Nebenwohnsitz in einer von der Klägerin gemieteten „Luxusvilla“ begründet habe, was aus mehreren Gründen politisch zu hinterfragen sei. Dieser Artikel war mit einer Abbildung des Politikers und der Klägerin sowie mit drei (kleinen) Fotos der Villa und ihrer Umgebung illustriert. Auch die Gemeinde, nicht aber die konkrete Anschrift des Anwesens wurde genannt.

Die Klägerin sah durch diesen Artikel ihre Wohnverhältnisse offengelegt, was in ihren höchstpersönlichen Lebensbereich iSv § 7 MedienG eingreife. Daher sei die Bildnisveröffentlichung nach § 78 UrhG unzulässig.

Entscheidung:

Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wurde in den Vorinstanzen abgewiesen. Der gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revisionsrekurs wurde nun vom OGH zurückgewiesen.

Aus der Begründung:

Zunächst erklärte der OGH das veröffentlichte Bild der Klägerin als solches für unbedenklich. Bei der Anwendung von § 78 UrhG ist allerdings nicht nur das Bild für sich allein, sondern auch die Art der Verbreitung und der Rahmen zu beurteilen, in den es gestellt wird. Dabei ist insbesondere der Begleittext zu berücksichtigen. Darunter fällt nicht nur der dem Bild unmittelbar beigegebene Text; es ist auch nicht notwendig, dass im Text auf das Bild hingewiesen wird. Entscheidend ist vielmehr, dass der Leser den Text auf die abgebildete Person bezieht.

Die Wertungen des Medienrechts sind bei bei der Auslegung von § 78 UrhG zu berücksichtigen; das gilt insbesondere für den hier strittigen Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereichs iSv § 7 MedienG. Der „höchstpersönliche Lebensbereich“ bildet den Kernbereich der geschützten Privatsphäre und ist daher einer den Eingriff rechtfertigenden Interessenabwägung regelmäßig nicht zugänglich. Er ist nicht immer eindeutig abgrenzbar, erfasst aber jedenfalls die Gesundheit, das Sexualleben und das Leben in und mit der Familie.

Es ist im Einzelfall nicht ausgeschlossen, dass auch eine Darstellung von Wohnverhältnissen wegen des dadurch möglichen Rückschlusses auf die Persönlichkeit des Bewohners diesen Kernbereich berührt. Das trifft aber nicht zu, wenn eine Zeitung – wie hier – ohne Abbildung des Wohnungsinneren oder einer privaten Szene und in nicht reißerischer Weise – also nicht bloßstellend iSv § 7 Abs 1 MedienG – über Tatsachen berichtet, deren Richtigkeit nicht bestritten ist.

In einem solchen Fall besteht zwar ebenfalls ein berechtigtes Interesse der Klägerin, dass die (wenngleich nur ungefähre) Lage und das äußere Erscheinungsbild der von ihr bewohnten Villa nicht öffentlich gemacht werden (Art 8 EMRK). Dieses Interesse ist aber mit dem ebenfalls grundrechtlich geschützten Interesse der Beklagten (Art 10 EMRK) an der Berichterstattung abzuwägen. Dabei handelt es sich um eine Beurteilung des Einzelfalls.

Von Bedeutung ist insbesondere, dass die Klägerin zuvor selbst ihre Beziehung zum Politiker und die Suche nach einer gemeinsamen Wohnung öffentlich gemacht hatte; weiters der Umstand, dass der Bericht in erster Linie den Partner der Klägerin betraf und durch den Hinweis auf das Auseinanderklaffen von Sein und Schein eine eindeutig politische Zielrichtung hatte. Der Artikel trug daher zu einer öffentlichen Debatte bei, die im Interesse der Allgemeinheit lag. Die Bezugnahme auf die Klägerin war dabei erforderlich, weil nicht der Politiker, sondern sie die Wohnung gemietet hatte; ihr Aussehen war ohnehin bekannt, sodass die (neuerliche) Veröffentlichung ihres Bildes als solche keine Interessen verletzte.