OGH-Entscheidung vom 21.1.2025, 4 Ob 138/24h (4 Ob 196/24p)
Sachverhalt:
In einer Tageszeitung erschienen im September 2023 Artikel über Missstände in einem Krankenhaus:
Anlass für die Berichterstattung war der nächtliche Sturz einen Patienten aus seinem Bett, der erst im Laufe der folgenden Stunde von Pflegern bemerkt wurde. Zum Zeitpunkt des Vorfalls herrschte in der betroffenen Abteilung ein Mangel an Pflegern. Dieser war darauf zurückzuführen, dass grundsätzlich zu wenige Pflegekräfte im Spital vorhanden waren, und zusätzlich sehr viele Pflegekräfte auf Urlaub oder im Krankenstand waren.
Die Klägerin (Krankenhaus) begehrte vor Gericht, gestützt auf § 1330 ABGB und §§ 1, 7 UWG, die Beklagten für schuldig zu erkennen, es zu (grob zusammengefasst) unterlassen, Aussagen zu veröffentlichen, wonach dem Krankenhaus die Pfleger ausgehen, die Versorgung der Station am seidenen Faden hänge, ein Patient 20-60 Minuten am kalten Boden liegen musste bzw niemand wisse, wie lange der Patient am Boden liegen musste.
Entscheidung:
Das Erstgericht wies die Klage ab. Die Beklagten hätten den Wahrheitsbeweis für ihre Äußerungen zumindest im Kern erbracht. Der OGH wie den Revisionsrekurs und die Revision der Klägerin zurück.
Hinsichtlich der Klagebegehren gegen die Äußerungen „der Orthopädie- und Traumaabteilung in der Klinik * gehen die Pfleger aus“ und/oder „die Versorgung auf der Orthopädie- und Traumastation in der Klinik * hänge am seidenen Faden, weil es kaum noch Pfleger gibt“ war in dritter Instanz nur mehr der konkrete Bedeutungsgehalt der Artikel fraglich sowie, ob diese Aussagen wahr sind.
Die Ermittlung des Bedeutungsinhalts einer Äußerung ist eine Rechtsfrage, die vom Einzelfall abhängt. Maßgeblich ist der Gesamtzusammenhang und das Verständnis des durchschnittlichen Lesers. Die Beurteilung muss am Grundrecht der Meinungsfreiheit gemessen werden. Eine Äußerung ist unwahr, wenn ihr sachlicher Kern nicht mit der Wirklichkeit zum Zeitpunkt der Äußerung übereinstimmt.
Der OGH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanzen und argumentierte, dass die Artikel nicht so verstanden werden müssen, dass ein unaufhaltsamer Abwärtstrend vorliege oder ein totaler Zusammenbruch unmittelbar drohe. Der Wahrheitsbeweis für die inkriminierten Äußerungen wurde erbracht, weil grundsätzlich zu wenige Pflegekräfte vorhanden waren, mehrere Versetzungsgesuche vorlagen, die Reduktion der Bettenzahl den Personalmangel bestätigt und die Gefährdung der Pflegesituation insgesamt nachgewiesen wurde. Der spätere gute Personalstand im Januar 2024 war irrelevant, da nur die Situation zum Zeitpunkt der Berichterstattung (September 2023) zu beurteilen war.
Hinsichtlich der Klagebegehren, wonach der aus dem Bett gestürzte Patient 20-60 Minuten auf dem Boden gelegen sei bzw niemand wisse, wie lange er dort gelegen sei, bestätigte der OGH die Abweisung der Unterlassungsbegehren aus folgenden Gründen:
Der Wahrheitsbeweis wurde erbracht, denn es wurde bescheinigt, dass tatsächlich ein Patient aus dem Bett fiel und womöglich von 5:15 bis 6:02 Uhr am Boden lag. Die Aussage „Für eine Stunde oder 20 Minuten? Niemand weiß das so genau“ ist vom bescheinigten Sachverhalt gedeckt, da die genaue Liegezeit nicht aufgeklärt werden konnte. Eine „Stunde“ ist nicht als exakt 60 Minuten zu verstehen, sondern als „längere Zeit“, sodass mit 47 Minuten der Wahrheitsbeweis im Kern erbracht wurde.
Die Artikel enthielten auch keine konkreten Vorwürfe: Es wurde von der Beklagten kein Organisationsverschulden der Klägerin bei diesem Dienst behauptet. Die Bezeichnung „stark unterbesetzt“ ist als zulässige Wertung zu verstehen. Die Kausalverknüpfung („weil die Nachtschicht stark unterbesetzt war“) ist als wertender Schluss vertretbar.
Auch der Umstand, dass das veröffentlichte „Beweisfoto“ nicht von diesem Vorfall stammen konnte, war nicht ausschlaggebend, da dieses Foto doch zumindest inhaltlich den Vorfall wiedergab.
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