OGH-Entscheidung vom 17.5.2023, 6 Ob 186/22d

 

Sachverhalt:

Das beklagte Unternehmen beauftragte eine PR-Agentur als Kommunikationsberaterin und Medienvertreterin. Der Rechtsanwalt der Beklagten übermittelte dem Geschäftsführer dieser PR-Agentur Informationen über eine angebliche Betriebsspionage zu Lasten der Beklagten (unter anderem durch „Telefonüberwachung“) im Auftrag der Klägerin. Die PR-Agentur wurde darauf hingewiesen, dass diese Information nur für den internen Gebrauch sei und nicht an Medien weitergegeben werden dürfe. Dennoch übermittelte der Geschäftsführer der PR-Agentur diese Information (ein Jahr darauf) an den Journalisten einer Tageszeitung; dies in Unkenntnis des Umstands, dass zu diesem Zeitpunkt aufgrund behördlicher Ermittlungen mittlerweile feststand, dass eine „Telefonüberwachung“ tatsächlich nicht stattgefunden hatte. Unmittelbar darauf veröffentlichte die Tageszeitung einen Artikel über die „Spionageaffäre“.

Die Klägerin klagte aufgrund des berichteten Vorwurfs, sie habe (zusammengefasst) eine illegale „Telefonüberwachung“ zu Lasten der Beklagten zu verantworten, auf Unterlassung und Veröffentlichung eines Widerrufs durch die Beklagte. In einem Vorverfahren wurde die PR-Agentur bereits rechtskräftig verurteilt. Die Tageszeitung schloss einen Unterlassungsvergleich ab.

 

Entscheidung:

Das Berufungsgericht war der Ansicht, dass der Geschäftsführer der PR-Agentur aufgrund seines eingeschränkten Aufgabengebiets nicht als Repräsentant der Beklagten anzusehen ist, sodass die Beklagte für dessen Tathandlung iSd § 1330 ABGB nicht hafte.

Es wurde zwar bereits mehrfach vom OGH ausgesprochen, dass eine juristische Person auch für ehrenbeleidigende oder kreditschädigende Äußerungen ihrer Repräsentanten nach § 1330 ABGB haftet. Denn Ansprüche aus § 1330 ABGB richten sich nicht nur gegen den unmittelbaren Täter, sondern auch gegen Mittäter, Anstifter und Gehilfen, die den Täter bewusst fördern.  Der OGH wies die außerordentliche Revision der Klägerin im vorliegenden Fall jedoch zurück. Ihr Vorbringen, wonach die Beklagte die inkriminierte Veröffentlichung durch die PR-Agentur bewusst vornehmen habe lassen, konnte die Klägerin nicht unter Beweis stellen.

Eine entsprechende organisatorische Stellung des Geschäftsführers der PR-Agentur im Unternehmen der Beklagten lag nicht vor (bzw. wurde dies auch nicht behauptet). Juristische Personen haften im deliktischen Bereich zwar für das schädigende Verhalten ihrer verfassungsmäßigen Organe und ihrer Repräsentanten („Machthaber“). Solche Repräsentanten sind Personen, die in der Organisation der juristischen Person eine leitende Stellung innehaben und dabei mit eigenverantwortlicher Entscheidungsbefugnis ausgestattet sind. Der Geschäftsführer der PR-Agentur war jedoch kein solcher Repräsentant der Beklagten.

Das Berufungsgericht war der Ansicht, die Beklagte habe die „Störung“ durch Weitergabe der Selbstanzeige nicht nur nicht veranlasst, sondern sei die Weitergabe weisungswidrig erfolgt. Aufgrund der begleitenden Anweisungen habe die Beklagte weder die Voraussetzungen für den Eingriff geschaffen, noch könne davon ausgegangen werden, dass die weisungswidrige Weitergabe in ihrem Interesse bzw zu ihrem Nutzen gewesen sei. Die Zurechnungskriterien für eine Haftung als mittelbarer Störer seien daher nicht erfüllt. Zudem verfüge die Klägerin bereits über Titel (Urteil/Vergleich) gegen den unmittelbaren Störer (Tageszeitung) und die PR-Agentur.

 

 

Link zum Entscheidungstext

 

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