EuGH-Urteil vom 1.8.2025, Rechtssache C‑76/24

 

Sachverhalt:

Zwischen einem spanischen Onlinehändler und dem Inhaber deutscher Marken für Tauchzubehör kam es zu einem Rechtsstreit. Der Händler bot über seine eigene Website sowie über die Plattform amazon.de Produkte an, die mit den deutschen Marken gekennzeichnet waren. Der Markeninhaber sah darin eine Verletzung seiner Markenrechte und klagte in Deutschland auf Unterlassung.

Während das Landgericht den Unterlassungsanspruch teilweise bestätigte, dehnte das Oberlandesgericht den Unterlassungstitel aus. Es verurteilte den spanischen Onlinehändler nicht nur wegen der Werbung und des Angebots, sondern auch wegen des Besitzes markenverletzender Waren, obwohl dieser Besitz in Spanien ausgeübt wurde. Gegen diese Entscheidung legte der spanischen Onlinehändler Revision ein.

Der BGH hatte Zweifel, ob das Unionsrecht eine so weite Auslegung zulässt und legte dem EuGH den Fall zur Vorabentscheidung vor.

 

Entscheidung:

Der EuGH stellte zunächst klar, dass der territoriale Schutz nationaler Marken grundsätzlich auf den Eintragungsstaat beschränkt ist. Gleichwohl sei dieser Schutz nicht wirkungslos, wenn ein Händler aus dem Ausland über Onlineplattformen Waren anbietet, die sich gezielt an Verbraucher im Schutzstaat richten. Bereits in früherer Rechtsprechung hatte der EuGH entschieden, dass der Inhaber einer Marke einem Dritten verbieten kann, Waren unter diesem Zeichen u.a. durch Onlinewerbung anzubieten, und zwar auch dann, wenn sich Händler, Server oder Waren im Ausland befinden, sofern sich das Angebot an Verbraucher im Schutzstaat richtet.

Vor diesem Hintergrund entschied der EuGH, dass Art 10 Abs 3 lit b der Markenrichtlinie dahin auszulegen ist, dass der Markeninhaber einem Dritten auch dann verbieten kann, markenverletzende Waren in einem anderen Mitgliedstaat zu besitzen, wenn dieser Besitz der Vorbereitung dient, die Waren im Schutzstaat anzubieten oder in den Verkehr zu bringen. Entscheidend sei also nicht der physische Ort des Besitzes, sondern die Zweckbestimmung im Hinblick auf das Anbieten oder Inverkehrbringen im Schutzstaat. Damit stärkt das Urteil die Durchsetzung nationaler Markenrechte im Binnenmarkt und verhindert, dass sich Händler durch die Lagerung im Ausland einer Haftung entziehen.

Zur zweiten Vorlagefrage stellte der EuGH fest, dass der Begriff des Besitzes im Sinne der Richtlinie nicht auf die unmittelbare tatsächliche Herrschaft über die Waren beschränkt ist. Auch ein mittelbarer Besitz, der auf einer Aufsichts- oder Leitungsbefugnis beruht, fällt darunter. Wer also über Dritte, etwa Logistikunternehmen oder Spediteure, die tatsächliche Kontrolle über die Waren ausübt, besitzt diese im rechtlichen Sinn und kann für Markenverletzungen in Anspruch genommen werden.

 

 

Link zur Entscheidung

 

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