OGH-Entscheidung vom 22.11.2022, 4 Ob 134/22t

 

Sachverhalt:

Der Kläger betreibt ein Einzelunternehmen und ist Inhaber der Marke „AIRBUTLER“ für die Klassen 7, 11 (u.a. Geräte für Kühlung, Heizung, Trocknung und Ventilation) und 21, unter welcher Luftreiniger vertrieben werden. Das beklagte Unternehmen aus Deutschland stellt elektrische Luftentfeuchter, Bautrockner und Gebläse sowie ebenfalls Luftreiniger her. Als der Kläger den Begriff „AIRBUTLER“ in Google eingab, erschienen gekennzeichnete „Anzeigen“, darunter folgende Anzeige mit Webadresse und Telefonnummer der Beklagten:

Die Beklagte verwendete zur Bewerbung ihrer Produkte im Internet die Google-Technologie der „Dynamischen Suchanzeigen“. Dabei werden keine Schlüsselwörter vom Werbenden festgelegt, sondern wird nur die Website des Werbenden für die Suchautomatismen von Google zugänglich gemacht. Bei Anwendung dieser Werbeform besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Begriff „AIRBUTLER“ in Anzeigen zur Anwendung kam, ohne dass hierzu ein konkretes Zutun der Beklagten abseits der Nutzung der betreffenden Werbetechnologie erfolgte. Ein expliziter manueller Ausschluss des betreffenden Begriffs wäre möglich gewesen.

Der Kläger begehrte 10.000 EUR als angemessenes (doppeltes) Entgelt. Durch die grob fahrlässige Markenverletzung habe die Beklagte Geschäfte mit Endkunden gemacht, die sonst er gemacht hätte.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht wies die Klage ab, weil die Beklagte die Marke nicht aktiv zu Werbezwecken verwendete. Das Berufungsgericht gab dem Unterlassungsbegehren sowie dem Zahlungsbegehren stattgab. Der OGH befand die dagegen erhobene Revision der Beklagten zwar für zulässig, aber nicht berechtigt.

Wer in einer der ihm aus einer Marke zustehenden Befugnisse verletzt wird, kann den Verletzer auf Unterlassung klagen (§ 51 MSchG); der Verletzte hat gegen den Verletzer auch Anspruch auf ein angemessenes Entgelt (§ 53 Abs 1 MSchG). Der Markeneingriff setzt kein Verschulden voraus, sodass der Täter auch dann haftet, wenn er nicht weiß, dass er eine fremde Marke benutzt. Immaterialgüterrechtliche Ansprüche auf das angemessene Entgelt haben nach ständiger Rechtsprechung eine bereicherungsrechtliche Grundlagees handelt sich um Verwendungsansprüche nach § 1041 ABGB. Bei schuldhafter Markenverletzung kann der Verletzte anstelle des angemessenen Entgelts Schadenersatz verlangen. Sofern die Markenverletzung auf grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz beruht kann der Verletzte unabhängig vom Nachweis eines Schadens das Doppelte des ihm nach § 53 Abs 1 MSchG gebührenden Entgelts begehren.

Die markenrechtliche Unternehmerhaftung erweitert den Kreis der Unterlassungsverpflichteten auf Inhaber von Unternehmen: Wenn eine Markenrechtsverletzung im Betrieb eines Unternehmens von einem Bediensteten oder Beauftragten begangen wird, kann der Unternehmensinhaber auf Unterlassung geklagt werden (§ 54 Abs 1 MSchG). Die Pflicht zur Zahlung des Entgelts nach § 53 MSchG trifft nur den Inhaber des Unternehmens, es sei denn, dass dieser von der Markenverletzung weder wusste noch daraus einen Vorteil erlangt hat. Es kann auch ein rechtlich selbständiges Unternehmen auf diese Weise in die Vertriebsorganisation des werbenden Unternehmens „eingegliedert“ sein und dessen Haftung begründen (zB Haftung für die Aktivitäten einer Werbeagentur, die für das Unternehmen tätig wurde).

Nach der Rechtsprechung des OGH zum Keyword Advertising greift die durch die Verwendung einer Marke (eines Markenbestandteils) als Schlüsselwort generierte Werbung eines Dritten in die Rechte des Markeninhabers nur dann nicht ein, wenn aus dieser Werbung in einer hier anzustellenden Gesamtbetrachtung für einen normal informierten und angemessen aufmerksamen Internetnutzer leicht zu erkennen ist, dass die Anzeige weder vom Inhaber der Marke noch von einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammt.

Im vorliegenden Fall befand der OGH, dass für einen normal informierten und angemessen aufmerksamen durchschnittlichen Internetnutzer der Eindruck entstehen konnte, dass entweder die festgestellte Anzeige vom Markeninhaber selbst stamme oder die Beklagte mit diesem wirtschaftlich oder organisatorisch verbunden sei. Eine markenrechtliche Nutzung der Marke und damit ein unberechtigter Eingriff in die Markenrechte des Klägers war daher aus Sicht des OGH zu bejahen. Selbst unter der (für die Beklagte) günstigsten Annahme, dass diese Verknüpfung der Marke und die Gestaltung der Anzeige ohne näheres Zutun der Beklagten aufgrund der Google-Algorithmen erfolgte, hat sich die Beklagte aber der Werbeform einer Dynamischen Suchanzeige bedient, bei der Google auf den Inhalt der Website der Beklagten zugreift und daraus – auf nicht bekanntem Weg – die jeweilige Anzeige unter Verwendung der Marke erstellt. Warum die Beklagte durch die Verwendung einer solchen Werbetechnologie von vornherein ihrer Verpflichtung entledigt sein sollte, keine markenverletzende Werbung zu betreiben, war für den OGH nicht nachvollziehbar. Ein Markeninhaber muss eine Werbetechnologie, die Markenverletzungen mit sich bringt, nicht dulden. Die Abstellung der Markenverwendung nicht nur durch Unterlassung der Bewerbung insgesamt, sondern auch durch Erstellung einer Ausschlussliste grundsätzlich möglich. Die Tätigkeit von Google ist daher der auftraggebenden Beklagten zuzurechnen.

 

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