OGH-Entscheidung vom 19.12.2023, 4 Ob 40/23w

 

Sachverhalt:

Die Klägerin ist eine der größten Automobilherstellerinnen Deutschlands und verwendet seit 1909 einen dreizackigen Stern zur Kennzeichnung ihres Unternehmens. Die verschiedenen Versionen des Mercedes-Sterns sind mit zahlreichen Marken geschützt. Die Marken sind zum Teil auch für Computer und Software in Klasse 9 eingetragen. Es handelt sich u.a. um diese Unionsmarken:

 

Die Beklagte gehört zu einem Konzern aus Hongkong, der zu den größten Computer- und Smartphone-Herstellern der Welt zählt. 2016 startete die Beklagte die „Y Series Gaming“, die sich an Videospiel-Enthusiasten richtete. Alle Geräte der „Y Series Gaming“ waren mit einem großen, roten „Y“ gekennzeichnet. 2018 wurde die Serie unter dem Namen „Legion“ erneuert. Das bereits für die „Y Series Gaming“ verwendete „Y“ wurde über den Buchstaben „O“ des Wortes „Legion“ gelegt. Dieses „O“ war daraufhin – in Verbindung mit dem bereits erwähnten „Y“ – das neue Zeichen der „Legion“-Serie, etwa in diesen Varianten:

Die Beklagte benutzte diese Zeichen in Videospielen und zur Kennzeichnung ua von PCs, Laptops, Mäusen, Headsets oder Tastaturen.

Der Automobilhersteller klagte auf Unterlassung und beantragte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss. Der OGH befand den Revisionsrekurs der Klägerin jedoch für berechtigt und erließ die einstweilige Verfügung.

Die Verwechslungsgefahr ist bei Identität der Waren bzw Dienstleistungen nach der Zeichenähnlichkeit zu prüfen; dafür sind die verwendeten Zeichen in Bild, Klang und Bedeutung einer gesamthaften Würdigung zu unterziehen, wobei in der Regel die Verwechslungsgefahr nach einem dieser Gesichtspunkte genügt.

Der Schutzumfang von eingetragenen Marken wird zwar grundsätzlich durch den Registerstand definiert, dennoch wird beim Ähnlichkeitsvergleich mitunter auch eine „auf dem Kopf Betrachtung“ angestellt. Hier ist Ähnlichkeit zu bejahen. Es besteht auch Warenidentität.

Der in den Zeichen der Beklagten enthaltene Stern ist kaum als „Y“ zu erkennen, vielmehr besteht eine deutliche Ähnlichkeit mit dem „Mercedes-Stern“ der Klägerin. Dass bei den Marken der Klägerin eine der drei Sternspitzen nach oben gerichtet ist, hat nur eine geringe Bedeutung, zumal dieses Detail dem Durchschnittsbetrachter nicht unbedingt geläufig sein muss und die Klagsmarken, aus unterschiedlicher Perspektive betrachtet, auch nicht immer mit einer Sternspitze nach oben wahrgenommen werden. Geläufig ist dem Durchschnittsbetrachter jedoch die auf Spitzen zulaufende Form des 3-zackigen Sterns im Kreis. An diesen wird das Publikum beim Betrachten der Zeichen der Beklagten zwangsläufig denken. Die Zeichen der Beklagten beinhalten genau die Merkmale, die den „Mercedes-Stern“ auszeichnen. Im Übrigen ergibt sich die Verwechslungsgefahr auch daraus, dass Sterne in der Regel mehr Zacken als drei aufweisen, während sich die Besonderheit von lediglich drei Sternspitzen sowohl bei den Marken der Klägerin als auch bei den Zeichen der Beklagten findet.

Da die 5-jährige Benutzungsschonfrist der Marken der Klägerin noch nicht abgelaufen ist, war unerheblich, ob die Klägerin die Marken nicht im Zusammenhang mit den angemeldeten Waren und Dienstleistungen tatsächlich benützt hat.

Im Übrigen erachtete der OGH es als unstrittig, dass es sich bei den Marken der Klägerin um bekannte Marken iSv Art 9 Abs 2 lit c UMV handelt. Der Schutz der bekannten Marke setzt keine Verwechslungsgefahr voraus, sondern nur eine solche Ähnlichkeit, dass das Publikum die Zeichen gedanklich miteinander verknüpft. Der Schutz der bekannten Marke gilt sowohl im Bereich einander ähnlicher als auch einander nicht ähnlicher Waren und Dienstleistungen.

Zusätzlich zum Bestehen einer gedanklichen Verknüpfung bedarf es zur Begründung einer Verletzung nach Art 9 Abs 2 lit c UMV des Ausnutzens oder Beeinträchtigens der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der bekannten Marke in unlauterer Weise. Bei Verwendung eines identischen oder ähnlichen Zeichens liegt es wegen der bei bekannten Marken offenkundigen Möglichkeit einer Rufausnutzung nahe, unlautere Motive zu vermuten. Rufausbeutung, Rufbeeinträchtigung und Verwässerung bekannter Marken indizieren grundsätzlich die Rechtswidrigkeit und diese entfällt nur, wenn der Verletzer besondere Umstände geltend macht, die sein Verhalten rechtfertigen. Die Beklagte hat keine besonderen Umstände geltend gemacht, die ihr Verhalten rechtfertigen. Von einem unlauteren Motiv der Rufausbeutung war somit auszugehen.

 

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