OGH-Entscheidung vom 31.5.2023, 4 Ob 55/23a

 

Sachverhalt:

Die Klägerin ist seit 1937 Inhaberin mehrerer Marken mit dem Wortlaut „Jägermeister“, unter deren Verwendung sie seit Jahrzehnten einen überaus bekannten und beliebten Kräuterlikör vertreibt.  Jägermeister ist als eine der „Marken des Jahrhunderts“ im Buch Deutsche Standards Marken des Jahrhunderts genannt. Diversen Werbemaßnahmen der Klägerin liegt ein Hirschkopf zugrunde. Jägermeister genießt ein gutes Image als Partygetränk.

Die Marken sowie die verwendeten Verpackungen haben folgendes Aussehen:

Die Beklagte vertreibt in Österreich ebenfalls Kräuterliköre, dies unter Verwendung folgender Produktausstattungen:

Die Klägerin klagte auf Unterlassung, Beseitigung, Rechnungslegung und Zahlung sowie Urteilsveröffentlichung und beantragte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung antragsgemäß und verbot der Beklagten, im Gebiet der Europäischen Union Kräuterliköre in einer Produktausstattung wie oben abgebildet bzw unter Verwendung von Nachahmungen der oben wiedergegebenen Produktausstattungen der Klägerin zu bewerben, anzubieten, in Verkehr zu bringen, einzuführen, auszuführen und/oder zu vertreiben. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Der OGH wies den außerordentlichen Revisionsrekurs der Beklagten zurück.

Der Schutz bekannter Marken nach setzt keine Verwechslungsgefahr voraus, sondern nur eine solche Ähnlichkeit, dass das Publikum die Zeichen gedanklich miteinander verknüpft. Es bedarf jedoch einer Ähnlichkeit bzw Identität zwischen den Zeichen, damit es zu einer Rufausbeutung, Rufbeeinträchtigung oder Verwässerung der bekannten Marke kommen kann.

Die Benützung des jüngeren Zeichens hat ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise zu erfolgen, wobei die Beweislast für das Fehlen von Unlauterkeit oder das Vorliegen rechtfertigender Bei Warenidentität (hier zu bejahen: Kräuterlikör) ist ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich.

Für Produkte, die keinen Sonderrechtsschutz für sich in Anspruch nehmen können, besteht grundsätzlich Nachahmungsfreiheit. Bei Hinzutreten besonderer lauterkeitsrelevanter Umstände kann die Nachahmung gewerblicher Erzeugnisse jedoch nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG unlauter sein (zB sklavische Nachahmung bzw glatte Leistungsübernahme, vermeidbare Herkunftstäuschung, Ausnützung der Wertschätzung des nachgeahmten Produkts).

Lauterkeitsrechtlicher Nachahmungsschutz bei einer schmarotzerischen Rufausbeutung kann auch ohne Herkunftstäuschung der Verkehrskreise wegen einer unlauteren Anlehnung an die fremde Leistung geboten sein. Bei gleichen oder ähnlichen Erzeugnissen kann eine unlautere Ausbeutung vorliegen, wenn sich der Beklagte in die Sogwirkung des Erzeugnisses begibt, um dessen Auffälligkeitswert oder besondere Wertschätzung als Trittbrettfahrer auszunützen (allerdings nicht immer – siehe diesen Blog-Beitrag zu gleichförmigem Speiseeis). Zur objektiven Rufausbeutung muss etwas Anstößiges hinzutreten, wie Anhaltspunkte für die Zielrichtung, am fremden Ruf zu schmarotzen. Dadurch sollen Investitionen geschützt werden, die für den Aufbau des guten Rufes des Originals erforderlich waren.

Der OGH schloss sich den Entscheidungen der Vorinstanzen an. Es seien keine rechtfertigenden Gründe ersichtlich, warum eine Ausstattung und Etikettierung eines Kräuterlikörs in der von der Beklagten gewählten Form mit der festgestellten Farbkombination, Frakturschrift auf oranger Banderole und bildlicher Darstellung (Hirschkopf) vorgenommen werden sollte. Die angebrachten (Diskont-Eigen-) Marke der Beklagten waren nicht geeignet, die gedankliche Verknüpfung zu den Marken der Klägerin zu beseitigen.

 

 

Link zum Entscheidungstext

 

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