OGH-Entscheidung vom 24.1.2017, 4 Ob 222/16z

Sachverhalt:

Die Klägerin vertreibt Molkereiprodukte. Sie ist Inhaberin zahlreicher österreichischer und Unionswort- sowie Wort-Bild-Marken, die alle das Wort „Schärdiger“ enthalten, teilweise verbunden mit verschiedensten Lebensmittelbezeichnungen oder Werbeschlagworten. Die Marke „Schärdinger“ hat in Österreich im Bereich „Milch- und Molkereiprodukte“ eine ungestützte Bekanntheit von rund 50 % und eine gestützte Bekanntheit von über 90 %. Mit anderen Produkten als Molkereiprodukten einschließlich Käse verbinden die Marke Schärdinger aber nur verschwindend wenige Personen.

Die Beklagte hat ihren Sitz in Schärding (Oberösterreich) und erzeugt und vertreibt verschiedene Biersorten sowie Limonadengetränke. Auf ihren Produkten verwendet die Beklagte u.a. den Begriff „Schärdinger [Produktname]“.

Die Klägerin brachte eine Unterlassungsklage ein. Die angesprochenen Verkehrskreise brächten die Produktbezeichnungen der Beklagten mit der Marke der Klägerin gedanklich in Verbindung, wodurch es zur Rufausbeutung, Rufbeeinträchtigung und Verwässerung der bekannten Marken der Klägerin komme.

Die Beklagte wendete ein, nicht in Markenrechte der Klägerin einzugreifen. Diese habe nicht das Recht, einem Dritten die Angabe geografischer Herkunftsbezeichnungen zu untersagen. Die Beklagte habe ihren Sitz in Schärding und produziere ihre Waren auch dort.

Entscheidung:

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab; das Berufungsgericht gab der Klage wiederum Folge.

Der OGH stellte das erstgerichtliche (klagsabweisende) Urteil wieder her. Aus der Begründung:

Die Streitparteien und Vorinstanzen gingen davon aus, dass der klägerischen Marke „Schärdinger“ der erweiterte Schutz bekannter Marken nach § 10 Abs 2 MSchG bzw Art 9 Abs 2 lit c UMV zukommt. § 10 Abs 2 MSchG gestattet es dem Inhaber einer eingetragenen Marke, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke gleiches oder ihr ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die nicht denen ähnlich sind, für die die Marke eingetragen ist, wenn diese im Inland bekannt ist und die Benützung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt. Der erweiterte Schutz im Ähnlichkeitsbereich der Waren und Dienstleistungen setzt somit voraus, dass die Benützung des jüngeren Zeichens in unlauterer Weise erfolgt und kein rechtfertigender Grund vorhanden ist.

Aus einer jüngeren EuGH-Entscheidung zu Art 6 Abs 1 lit b RL 89/104/EW (vgl nunmehr Art 12 lit b UMV), wonach der Inhaber einer Marke nicht befugt ist, einem Dritten zu verbieten, Angaben ua über die geografische Herkunft einer Ware im geschäftlichen Verkehr zu benutzen, sofern die Benutzung den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel entspricht, geht hervor, dass diese Vorschrift nicht nach den verschiedenen möglichen Verwendungen der in dieser Bestimmung genannten Angaben unterscheidet. Um in den Anwendungsbereich dieses Artikels zu fallen, genügt es, wenn eine solche Angabe sich auf eines der dort angeführten Merkmale wie die geografische Herkunft bezieht.

Die Schutzschranke des § 10 Abs 3 Z 2 MSchG bzw Art 12 lit b UMV (geografische Herkunftsangabe) sieht keine Einschränkung auf „notwendige“ Benutzungshandlungen vor. Eine Alternativlosigkeit (dh wenn eine solche Benutzung praktisch das einzige Mittel dafür wäre, eine Information über die Bestimmung des Produkts zu liefern) ist hier nicht zu fordern.

Als Unlauterkeitskriterien kommen vor allem Rufausbeutung, Rufschädigung, Aufmerksamkeitsausbeutung und Verwässerung in Betracht. Der OGH verneinte jedoch eine unlautere Ausnützung der Marken der Klägerin. Die Bekanntheit der klägerischen Marken bezieht sich unstrittig nur auf Molkereiprodukte. Die Beklagte produziert und vertreibt unter den angegriffenen Kennzeichen demgegenüber ein kohlensäurehaltiges Limonadengetränk. Die Gestaltung ihrer Wort-Bild-Marke weicht deutlich von der Ausgestaltung der Marken und der Produkte der Klägerin ab. Die Beklagte ist überdies in Schärding ansässig und produziert auch dort, weshalb in diesem Fall weder eine besondere Anlehnung an die klägerischen Marken noch eine schmarotzerische Rufausbeutung oder ein sonstiges Unlauterkeitskriterium zu erkennen ist.