OGH-Entscheidung vom 20.4.2021, 4 Ob 19/21d

 

Sachverhalt:

Die Klägerin ist Herstellerin verschiedener Wodka-Produkte, die sie weltweit unter dem Kennzeichen „ABSOLUT“ vertreibt. Sie ist zudem Inhaberin mehrerer Marken, die den Begriff „ABSOLUT“ enthalten. Diese Marken sind seit über 20 Jahren einem bedeutenden Anteil der 16- bis 40-jährigen Wintersportinteressenten, die (zumindest gelegentlich) alkoholische Getränke konsumieren, bekannt.

Die Beklagte betreibt ebenfalls seit über 20 Jahren einen Schneepark für Schi- und Snowboardfahrer unter der Bezeichnung „ABSOLUT PARK“. Unter dem Namen „ABSOLUT SCHOOL“ betreibt sie eine Schi- und Snowboardschule. Unter der Bezeichnung „ABSOLUT SHOP“ betrieb sie einen Webshop. Unter den Domains „www.absolutpark.com“ und www.absolutschool.at betreibt sie Websites, zudem einen YouTube-Kanal sowie eine Facebook-Seite mit 30.000 Abonnenten.

Die Klägerin klagte auf Unterlassung, Beseitigung (insbesondere Zerstörung von Kleidungsgegenständen und Löschung der Domains und Facebook-Seiten), Rechnungslegung, Leistung und Urteilsveröffentlichung.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht gab der Klage mit Teilurteil teilweise statt. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge. Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten. Der OGH befand die Revision für zulässig und auch teilweise berechtigt.

Im Hinblick auf das Unterlassungsbegehren fasste der OGH zusammen, dass Erst- und Berufungsgericht vom Vorliegen einer bekannten Marke iSd § 10 Abs 2 MSchG ausgingen. Die Beklagte habe den Ruf der bekannten Wort-Bild-Marken der Klägerin unlauter ausgenutzt. Der Unterlassungsanspruch bestehe wegen der unlauteren Benutzung des Zeichens der Beklagten. In der grafischen und auch in der konzeptuellen Ähnlichkeit der Zeichengestaltung liege eine Ausnutzung der Unterscheidungskraft der bekannten Marken der Klägerin. Durchschnittsverbraucher der maßgeblichen Verkehrskreise würden dadurch gedanklich zumindest auf eine geschäftliche Beziehung der Streitteile, etwa eine Werbe- oder Marketingkooperation, hingeführt. Das Berufungsgericht kam aber zu der Ansicht, dass die Verwendung des Wortes „absolut“ der Beklagten aber nicht schlechthin verwehrt werden könne. Es bestünden Möglichkeiten, diesen Begriff ohne Anlehnung an die Gestaltung durch die Klägerin in einer Weise einzusetzen, die keine Assoziationen zu den Wodka-Produkten der Klägerin hervorrufe.

Der OGH führte dazu aus, dass eine Marke bekannt ist, wenn ein bedeutender Teil des maßgeblichen Publikums das Zeichen kennt. „Maßgeblich“ ist jenes Publikum, an das sich die unter der betreffenden Marke vermarkteten Waren oder Dienstleistungen richten (siehe u.a. diese EuGH-Entscheidung). Dabei kommt es nicht auf einen bestimmten Prozentsatz an; sondern es sind alle relevanten Umstände zu berücksichtigen, insbesondere der Marktanteil der Marke, die Intensität, die geografische Ausdehnung und die Dauer ihrer Benutzung sowie der Umfang der Investitionen, die das Unternehmen zu ihrer Förderung getätigt hat (siehe u.a. diese OGH-Entscheidung). Aufgrund der Feststellungen der Vorinstanzen bejahte auch der OGH das Vorliegen einer bekannten Marke.

Der Schutz der bekannten Marke setzt keine Verwechslungsgefahr voraus, sondern nur eine solche Ähnlichkeit, dass das Publikum die Zeichen gedanklich miteinander verknüpft. Der Grad der dafür erforderlichen Ähnlichkeit ist niedriger anzusetzen als der Grad der Ähnlichkeit, der für Verwechslungsgefahr verlangt wird; es reicht zudem aus, wenn die Ähnlichkeit in einem der drei Punkte Bild, Klang oder Sinngehalt besteht. Da die Klagsmarke zur Gänze in die Zeichen der Beklagten aufgenommen wurde, ging der OGH von einer weitgehenden Identität der Zeichen im prägenden Bestandteil aus; die Zusätze „Shop“, „School“ und „Park“ sind rein beschreibend.

Der Schutz nach § 10 Abs 2 MSchG greift nur, wenn die Benützung des jüngeren Zeichens in unlauterer Weise erfolgt und kein rechtfertigender Grund vorhanden ist; es müssen demnach besondere Umstände für die Verwerflichkeit der Anlehnung vorliegen. Im vorliegenden Fall stützte sich das Berufungsgericht auf die Fallgruppe der „Aufmerksamkeitsausbeutung“. Der Verletzer zieht hierbei mit Hilfe einer bekannten Marke die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich und sein Produkt und erzielt dadurch einen Kommunikationsvorsprung. Er hängt sich an die Bekanntheit der fremden Marke an, um den Absatz seiner eigenen Waren oder Dienstleistungen zu fördern. Da die Beklagte die Marke der Klägerin ident in ihre Marke übernommen und sich auch in der optischen Gestaltung stark an die Klagsmarke angenähert hat (Großschreibung, Fettdruck, ähnliche Schriftart) besteht kein Zweifel, dass die Beklagte die hohe Bekanntheit der klägerischen Marken ausnutzt, um Interesse auf ihr eigenes Produkt zu lenken. Der OGH bestätigte daher die Entscheidung des Berufungsgerichts hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens; ebenso hinsichtlich der Rechnungslegung und Urteilsveröffentlichung.

Den markenrechtlichen Anspruch auf Löschung einer Domain beurteilte der OGH jedoch anders. Gemäß § 52 MSchG ist der Markenverletzer zur Beseitigung des dem Gesetz widerstreitenden Zustands verpflichtet. Der Verletzte kann verlangen, dass auf Kosten des Verletzers die markenverletzenden Gegenstände sowie Vorräte (Eingriffsgegenstände) vernichtet und die hierfür dienlichen Hilfsmittel (Eingriffsmittel) für diesen Zweck unbrauchbar gemacht werden. Der Löschungsanspruch wurde in der früheren Rechtsprechung als geeignete Maßnahme zur Beseitigung des rechtswidrigen Gebrauchs eines Namens als Domainname qualifiziert. Dabei anerkannte der OGH die Abgabe einer Löschungs- bzw Verzichtserklärung gegenüber der Registrierungsstelle. In den Folgejahren änderte der OGH jedoch seine Rechtsprechung, denn bei einer Löschung könnte die Domain auch nicht mehr zu erlaubten Zwecken genutzt werden. Maßgebend für die Beurteilung, ob eine Benutzung eines Zeichens iSd § 10a MSchG vorliegt und ob dadurch Verwechslungsgefahr iSd § 10 Abs 1 Z 2 MSchG begründet wird, ist demnach der Inhalt der Website, die unter der Domain in das Internet gestellt wird. Da die Klägerin begehrte, der Beklagten ganz allgemein die Nutzung des Zeichens „ABSOLUT“ bzw auch in Form einer Domain (und Facebook-Seite) zu verbieten, musste dies im Anlassfall an zur Abweisung des Löschungsanspruchs führen.

Das Berufungsgericht hatte dem Unterlassungsbegehren überdies nur insoweit Folge gegeben, als es der Beklagten untersagte, das Zeichen in der konkreten graphischen Gestaltung zu benutzen. Die Klägerin ließ die Abweisung des Mehrbegehrens unbekämpft. Damit wurde die von ihr geltend gemachte Unterlassungsverpflichtung hinsichtlich der schlichten Benutzung der Domain – also ohne die inkriminierte graphische Gestaltung – rechtskräftig verneint. Auf Löschung der Domain besteht daher kein Anspruch. Denn ein solcher Anspruch wäre wegen der Zulässigkeit der Nutzung als Domain durch keinen gleich weit reichenden Unterlassungsanspruch gedeckt; er ginge über das hinaus, was der Markeninhaber materiell-rechtlich verlangen kann. Mangels eines rechtswidrigen Zustands bei der Benutzung der Domains (und Facebookseiten) wurde der Beseitigungsanspruch daher verneint.

 

 

Link zum Entscheidungstext

 

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