OLG Wien-Entscheidung vom 30.10.2024, 33 R 97/24p

 

Sachverhalt:

Die Klägerin benutzt seit ca. 20 Jahren ein bestimmtes Firmenschlagwort. Sie ist auch Inhaberin einer gleichlautenden Domain sowie einer österreichischen Marke. Die Klägerin bietet unter diesem Kennzeichen medizinische Dienstleistungen an, insbesondere ästhetische Operationen und Laser-Behandlungen.

Die Beklagte ist Ärztin für Allgemeinmedizin und betreibt eine Praxis für Schönheitsmedizin, in der sie Laserbehandlungen bei Hautproblemen anbietet.

Anlässlich einer von der Klägerin durchgeführten Google-Suche nach ihrer eigenen Marke bzw. ihrem Firmenschlagwort wurden Google-Inserate der Beklagten angezeigt. Demnach benutzte die Beklagte das Zeichen der Klägerin als Keyword für den Internet-Werbedienst „Google Ads“. Beim Anklicken dieser Anzeigen gelangte man auf die Website der Beklagten. Im Laufe von ca. zwei Jahren wurden diese Inserate etwa 112 Mal angeklickt. Ob einer der Aufrufenden tatsächlich in weiterer Folge Kunde/Patient der Beklagten wurde, konnte nicht festgestellt werden.

Zu Beginn des Gerichtsverfahrens bot die Beklagte der Klägerin einen vollstreckbaren Unterlassungsvergleich an. Darin bot sie an, sich dazu zu verpflichten, das streitgegenständliche Kennzeichen nicht mehr für ihre eigenen Dienstleistungen oder Produkte zu verwenden, insbesondere in Zusammenhang mit der Schaltung von Anzeigen über den Online-Werbedienst „Google Ads“. Den Vergleich hätte sie für einen Monat auf der Startseite ihrer Webseite veröffentlicht. Zudem hätte sie EUR 500,00 angemessenes Entgelt bezahlt sowie Kostenersatz geleistet.

Der angebotene Vergleich wurde von der Klägerin nicht angenommen, weil dieser die begehrte Urteilsveröffentlichung in Google Ads nicht umfasste. Die Klägerin hatte die Urteilsveröffentlichung für eine Dauer von drei Monaten sowohl auf der Startseite der Website der Beklagten als auch in einer von der Beklagten zu schaltenden Google-Anzeige gefordert.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht wies das Unterlassungsbegehren ab, weil durch den angebotenen Vergleich die Wiederholungsgefahr weggefallen sei. Es sei im vorliegenden Fall angemessen und ausreichend, die Urteils- und Vergleichsveröffentlichung in einem Zeitraum von 30 Tagen auf der Website der Beklagten vorzunehmen. Nicht erforderlich sei eine zusätzliche Veröffentlichung in einer von der Beklagten zu schaltenden Google-Anzeige, die über Keywords auffindbar sei.

Gegen die Abweisung des Unterlassungs- und Veröffentlichungsbegehrens richtete sich die Berufung der Klägerin. Das OLG Wien gab der Berufung nicht Folge.

Nach ständiger Rechtsprechung beseitigt das (wenngleich von der Klägerin abgelehnte) Angebot eines vollstreckbaren Unterlassungsvergleichs im Regelfall die Wiederholungsgefahr. Das Vergleichsanbot beseitigt die Vermutung der Wiederholungsgefahr nur dann, wenn der Klägerin auch die begehrte Veröffentlichung des Vergleichs auf Kosten der Beklagten im angemessenen Umfang angeboten wird.

Die Klägerin sah die Wiederholungsgefahr in Bezug auf das Unterlassungsbegehren nur deswegen weiter als gegeben an, weil ihrem Veröffentlichungsbegehren im Unterlassungsvergleich nicht vollständig entsprochen wurde. Aber darauf kommt es nicht an, sondern darauf, ob eine Veröffentlichung im angemessenen Umfang angeboten wurde. Dieser Anforderung ist die Beklagte nach Ansicht des Erstgerichts nachgekommen. Das Berufungsgericht teilte diese Einschätzung.

Art und Umfang der Veröffentlichung sollen in einem angemessenen Verhältnis zur Wirkung der Rechtsverletzung stehen. Veröffentlichungsbegehren nach § 55 MSchG iVm § 149 PatG (und/oder nach § 25 Abs 3 UWG) sind vom Unterlassungsbegehren abhängige Nebenansprüche.

Zweck der Urteilsveröffentlichung ist es, über die Rechtsverletzung aufzuklären. Die Berechtigung des Begehrens auf Urteilsveröffentlichung hängt davon ab, ob ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin an der Aufklärung des Publikums im begehrten Ausmaß besteht.

Im konkreten Fall hielt das OLG die Veröffentlichung nur auf der Startseite der Website der Beklagten zur Aufklärung (auch) des „Google“-Suchpublikums für angemessen und auch zielführend. Denn es konnte nicht festgestellt werden, ob von den protokollierten „Klicks“ überhaupt einer der Aufrufenden in weiterer Folge Kunde/Patient der Beklagten geworden ist. Davon ausgehend sah das OLG Wien kein schutzwürdiges Interesse der Klägerin an einer Aufklärung des „Google“-Suchpublikums über die Markenrechtsverletzung. Diese Form der Aufklärung ist wegen der hohen Nutzerfrequenz auf der Suchmaschinenplattform „Google“ und der damit verbundenen geringen Aufmerksamkeit in Bezug auf den Informationsgehalt einer solchen Einschaltung nicht zielführend; auch dann nicht, wenn der Benutzer nach dem streitgegenständlichen Keyword sucht und in diesem Zusammenhang die Information erhält, dass die Beklagte das Markenrecht der Kläger verletzt hat. Da in den „Google“-Anzeigen immer die Website der Beklagten angeführt war und der Aufrufende bei Interesse diese aufgesucht hat/hätte, ist eine Veröffentlichung auf der Website die effektivste und zielführendste Form der Aufklärung und daher ausreichend und angemessen.

 

Link zur Entscheidung

 

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