OGH-Entscheidung vom 8.10.2024, 6 Ob 118/24g
Sachverhalt:
Die Beklagte ist Medieninhaberin einer Tageszeitung sowie einer zugehörigen Website und App für die Verbreitung von ePaper-Ausgaben.
Die Klägerin und ihr Ehemann verbrachten im April 2022 ihre Hochzeitsreise auf den Philippinen. Als sie mit einem Taxi eine Brücke überquerten, stürzte diese ein. Während sich die Klägerin aus dem Fahrzeug nur leicht verletzt befreien konnte, kam ihr Ehemann ums Leben. (Eine ältere Entscheidung über die Berichterstattung eines anderen Mediums über diesen Vorfall ist HIER im Blog abrufbar.)
Über diesen Unfall veröffentlichte die Beklagte an zwei aufeinanderfolgenden Tagen ohne Zustimmung der Klägerin Artikel mit Lichtbildern, die die Klägerin und ihren Ehegatten mit verpixelten Gesichtern zeigen.
Die Klägerin klagte auf Unterlassung, Urteilsveröffentlichung sowie Zahlung von immateriellem Schadenersatz iHv EUR 18.000.
Entscheidung:
Das Erstgericht gab der Klage überwiegend statt. Das Berufungsgericht änderte das Urteil dahin ab, dass die Beklagte den Urteilsspruch in allen (Regional-)Ausgaben lediglich im Österreich-Teil zu veröffentlichen habe sowie EUR 15.000 Schadenersatz zahlen müsse.
Der OGH wies die Revision der Beklagten zurück.
Die Klägerin und ihr verstorbener Ehegatte waren in der Berichterstattung trotz „verpixelter“ Gesichter unstrittig erkennbar.
Der OGH bestätigte die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, wonach die Veröffentlichung der die Klägerin und ihren verstorbenen Ehemann zeigenden Lichtbilder, denen kein eigener Nachrichtenwert zukam, im Zusammenhang mit dem Bericht über seinen Tod und dessen Begleitumstände unzulässig war. Das Ergebnis der vorgenommenen Interessenabwägung schränke weder die Pressefreiheit unzulässigerweise ein noch begründe dies einen Verstoß gegen Art 10 EMRK.
Die Veröffentlichung der Bilder diente primär der Befriedigung der Neugierde und Sensationslust der Öffentlichkeit, was insbesondere die tatsachenwidrige Behauptung der Beklagten zeigt, der verstorbene Ehemann habe die schwangere Klägerin gerettet und sein Leben für das Leben seiner Frau und seines ungeborenen Kindes geopfert. Der Beklagten werde keineswegs jegliche Berichterstattung über den Brückeneinsturz verwehrt, lediglich die Erkennbarkeit der Klägerin oder ihres tödlich verunglückten Ehemanns war inkriminiert.
An der bloßen Information der Öffentlichkeit über die Widerrechtlichkeit der Veröffentlichung eines Bildnisses besteht kein berechtigtes Interesse. Ein Veröffentlichungsbegehren ist aber dann gerechtfertigt, wenn die Urteilsveröffentlichung falsche Eindrücke beseitigen kann, die durch die Bildnisveröffentlichung entstanden sind (siehe zb HIER im Blog).
Das Berufungsbericht befand, dass die Urteilsveröffentlichung den falschen Eindruck beseitigen könne, die Klägerin habe ihre privaten „Schnappschüsse“ der Beklagten zur Verfügung gestellt und sich damit freiwillig als trauernde Witwe und um ihren Ehemann als Retter zu ehren, der Neugierde und Sensationslust der Leser der Beklagten preisgegeben. Der OGH bestätigte diese Ansicht, zumal dadurch insbesondere der falsche Eindruck des Bildbegleittextes beseitigt wird, der verstorbene Ehemann habe die schwangere Klägerin gerettet und sein Leben für das Leben seiner Frau und seines ungeborenen Kindes geopfert. Die Veröffentlichung soll gerade diesem unrichtigen Bild entgegenwirken.
Gemäß § 87 Abs 2 iVm § 78 UrhG kann der Geschädigte eine angemessene Entschädigung für die in keinem Vermögensschaden bestehenden Nachteile verlangen, die er durch die Verletzung des Rechts am eigenen Bild erlitten hat.
Auf den Schadenersatzanspruch nach § 87 Abs 2 iVm § 78 UrhG sind zwar im Medienverfahren als Entschädigung für die erlittene Kränkung zugesprochenen Beträge anzurechnen, um die durch die Gesetzeslage gegebene Anspruchskonkurrenz zu entschärfen. Allerdings sind (nur) rechtskräftige Zusprüche von Entschädigungen in Medienverfahren anzurechnen. Sofern erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung die Rechtskraft des Medienurteils eingetreten ist, kann dies unter Berücksichtigung des Neuerungsverbots nicht mehr geltend gemacht werden. Solche Umstände können nur im Weg einer Feststellungsklage oder – nach Bewilligung der Exekution – einer Oppositionsklage geltend gemacht werden.
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