EuGH-Urteil vom 22.12.2022, Rechtssachen C‑148/21 und C‑184/21

 

Sachverhalt:

Christian Louboutin ist ein französischer Designer von Luxusschuhen und ‑handtaschen. Seit Mitte der 1990er Jahre bringt er an seinen hochhackigen Schuhen eine rote Außensohle an. Der rote Farbton ist als Benelux-Marke und (seit 2016) auch als Unionsmarke eingetragen.

Auf Amazon erscheinen regelmäßig Verkaufsanzeigen für rotbesohlte Schuhe, die laut Louboutin zustimmungslos in Verkehr gebracht worden sind. Amazon bestritt jegliche Markenrechtsverletzung, da die Schuhe von Drittanbietern angeboten werden. Die Einbindung des Amazon-Logos in Anzeigen von Drittanbietern bedeute nicht, dass es sich um Anzeigen von Amazon handle.

Die mit den innerstaatliche verfahren befassten Gerichte in Luxemburg und Brüssel legten dem EuGH die Verfahren zur Vorabentscheidung vor.

 

Entscheidung:

Der EuGH kam zu dem Ergebnis, dass Art 9 Abs 2 lit a der Unionsmarkenverordnung dahingehend auszulegen ist, dass der Betreiber einer Online-Verkaufsplattform eine Marke selbst benutzt, wenn ein Drittanbieter auf dem Marktplatz eine fremde Marke für seine Waren benutzt (ohne hierfür die Zustimmung des Inhabers zu haben), insbesondere wenn Nutzer dieser Plattform den Eindruck haben könnte, dass der Plattform-Betreiber die Waren selbst vertreibt.

(In dieser Entscheidung aus dem Jahr 2020 kam der EuGH übrigens noch zu dem Ergebnis, dass Amazon nicht für Markenrechtsverletzungen seiner Marketplace-Partner haftet.)

Für den EuGH war hier der Umstand entscheidend, dass Amazon die auf seiner Plattform veröffentlichten Verkaufsangebote einheitlich präsentiert. Angebote werden zusammen mit den Anzeigen von Drittanbietern präsentiert; insbesondere wird bei all diesen Anzeigen das Amazon-Logo als Hinweis auf einen renommierten Vertreiber verwendet. Zudem bietet Amazon zusätzliche Dienstleistungen an, die unter anderem darin bestehen, diese Waren zu lagern und zu versenden.

Wenn der Betreiber einer Verkaufsplattform mit integriertem Online-Marktplatz die veröffentlichten Angebote einheitlich präsentiert, indem er seine eigenen Anzeigen zusammen mit den Anzeigen von Drittanbietern einblendet und sein eigenes Logo als renommierter Vertreiber sowohl auf seiner Plattform als auch bei all diesen Anzeigen erscheinen lässt, so kann dies eine klare Unterscheidung erschweren. Sind diese Waren mit einem Zeichen versehen, das mit einer fremden Marke identisch ist, kann eine solche einheitliche Präsentation daher aus Sicht der Nutzer eine Verbindung zwischen diesem Zeichen und den von diesem Betreiber erbrachten Dienstleistungen herstellen. Insbesondere wenn bestimmte Angebote ohne Unterscheidung mit Angaben wie „Bestseller“, „am häufigsten gewünscht“ oder „am häufigsten geschenkt“ beworben werden, ist eine solche Präsentation geeignet, bei den Nutzern den Eindruck zu verstärken, dass der Betreiber die angepriesenen Waren im eigenen Namen und auf eigene Rechnung vertreibt.

Auch die zusätzlich angebotenen Dienstleistungen, wie Kundenbetreuung, Lagerung, Versand und der Abwicklung des Rückversands, vermitteln Nutzern ebenfalls den Eindruck, dass diese Waren durch den Plattform-Betreiber im eigenen Namen und für eigene Rechnung vertrieben werden.

 

Link zum Entscheidungstext

 

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