BGH-Urteil vom 10.11.2022 – I ZR 241/19

 

Sachverhalt:

Beide Prozessparteien vertreiben im Internet Taschenmesser. Die Beklagte bot auf Amazon ein Schweizer Offiziersmesser an. Die Angebotsseite enthielt unter der Zwischenüberschrift „Weitere technische Informationen“ einen Link mit der Bezeichnung „Betriebsanleitung“. Nach dem Anklicken dieses Links öffnete sich ein Produktinformationsblatt, das folgenden Hinweis auf eine Garantie des Herstellers enthielt: „Die Garantie erstreckt sich zeitlich unbeschränkt auf jeden Material- und Fabrikationsfehler (für Elektronik zwei Jahre). Schäden, die durch normalen Verschleiß oder durch unsachgemäßen Gebrauch entstehen, sind durch die Garantie nicht gedeckt.“ Weitere Informationen zu der Garantie enthielt das Produktinformationsblatt nicht.

Die Klägerin sah darin einen Verstoß gegen die gesetzlichen Informationspflichten betreffend Garantien und klagte.

 

Entscheidung:

Das Landgericht wies die Klage ab. Die Berufung der Klägerin gegen dieses Urteil war jedoch erfolgreich und die Beklagte wurde verurteilt. Der BGH legte das Verfahren dem EuGH zur Vorabentscheidung vor, der über die Fragen durch Urteil vom 5. Mai 2022 (C-179/21) entschied. Der BGH hob daraufhin das Urteil des Oberlandesgerichts auf und stellte das klagsabweisende Urteil des Landgerichts wieder her.

Der EuGH entschied auf Vorlage des BGH, dass ein Unternehmer die Verbraucher vor Abschluss eines Kaufvertrags über die Bedingungen der Herstellergarantie informieren muss, wenn er die Garantie zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal seines Angebots macht und so als Verkaufsargument einsetzt. Erwähnt er dagegen die Herstellergarantie nur beiläufig, so dass sie aus Sicht der Verbraucher kein Kaufargument darstellt, muss er keine Informationen über die Garantie zur Verfügung stellen.

Im vorliegenden Fall stellte die Herstellergarantie kein wesentliches Merkmal des Angebots der Beklagten dar. Sie wurde auf der Angebotsseite selbst nicht erwähnt, sondern fand sich an untergeordneter Stelle in einem Produktinformationsblatt. Auf dieses Produktinformationsblatt gelangte der Verbraucher nur, wenn er einen Link anklickte, der unter der Zwischenüberschrift „Weitere technische Informationen“ stand und mit der Bezeichnung „Betriebsanleitung“ versehen war und daher eher auf eine technisch-funktionale Erläuterung hindeutete.

Die Beklagte hat sich demnach nicht unlauter verhalten, weil sie in ihrem Internetangebot keine näheren Angaben zu der im verlinkten Produktinformationsblatt erwähnten Herstellergarantie gemacht hat.

Die Beklagte hat mangels eines Verstoßes gegen die Marktverhaltensregelung des § 479 Abs. 1 dBGB auch keine nach § 3a dUWG unlautere Handlung begangen. Die in § 479 Abs. 1 dBGB normierte Pflicht zur Information über den Gegenstand und den Inhalt einer (Hersteller-)Garantie greift erst ein, wenn der Unternehmer dem Verbraucher ein verbindliches Angebot auf Abschluss eines Garantievertrags unterbreitet. Im Streitfall enthielt der auf der Angebotsseite befindliche Link auf das Produktinformationsblatt mit der Herstellergarantie noch kein verbindliches Garantieversprechen.

 

 

Link zum Entscheidungstext

Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 10.11.2022

 

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