OGH-Entscheidung vom 17.12.2024, 4 Ob 76/24s

 

Sachverhalt:

Der VKI klagte einen Mobilfunkanbieter auf Unterlassung, der in seinem Online-Shop etwa wie folgt mit „Smartphones für 0 Euro“ warb:

Ein Sternchenverweis führte zu einem Zusatz, der nach längerem Herunterscrollen nach der Auflistung der um 0 EUR angebotenen Handys angezeigt wurde. Dort standen Hinweise wie „zzgl. 3 Euro Urheberrechtsabgabe pro Smartphone“ sowie „* Die Servicepauschale beträgt 27 € pro Jahr … Zuzüglich 3 € Urheberrechtsabgabe (URA) bei Kauf eines Smartphones.“

 

Entscheidung:

Das Erstgericht erkannte die Beklagte (grob zusammengefasst) für schuldig, es im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern im Zusammenhang mit Abschlüssen im Fernabsatz zu unterlassen, den Verbraucher nicht in klarer oder verständlicher Weise über den Gesamtpreis der Ware (insb eines Mobiltelefons) zu informieren; sowie bei einem unbefristeten Vertrag über Telekommunikationsdienstleistungen nicht in klarer und verständiger Weise über die für jeden Abrechnungszeitraum anfallenden Gesamtkosten zu informieren.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und erklärte die Beklagte (grob zusammengefasst) für schuldig, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, für ein Produkt einen Preis von ‚0 EUR‘ oder sinngleich zu behaupten, wenn in Wahrheit jedenfalls ein höherer Betrag, insbesondere eine Urheberrechtsabgabe von 3 EUR, unvermeidbar und vorhersehbar zu bezahlen ist, um das Produkt zu erhalten; sowie Marktteilnehmer bei unbefristeten Verträgen über Telekommunikationsdienstleistungen nicht bereits im Rahmen der ursprünglichen Preisangabe auf klare, verständliche und eindeutige Weise über die für jeden Abrechnungszeitraum anfallenden Gesamtkosten zu informieren.

Gegen die Stattgabe der Unterlassungs-Hauptbegehren richtete sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, das erstinstanzliche Urteil wieder herzustellen. Der OGH befand die Revision zur Klarstellung der Rechtslage für zulässig und teilweise auch berechtigt.

Zur anfallenden Speichermedienvergütung befand der OGH, dass es nach Z 20 des Anhangs zum UWG irreführend und unlauter ist, ein Produkt als „gratis“ oder „kostenfrei“ zu bewerben, wenn der Kunde doch Kosten tragen muss. Der versteckte Hinweis auf weitere Kosten im Kleingedruckten bzw. erst nach längerem Scrollen reicht nicht aus, um die irreführende Wirkung der blickfangartigen „0 Euro“-Werbung zu beseitigen. Der Durchschnittsverbraucher darf bei einer „0 Euro“-Werbung davon ausgehen, dass das Produkt tatsächlich kostenlos ist, auch wenn er weiß, dass bestimmte Bedingungen (wie Vertragsbindung) damit verbunden sein können.

Die beklagte Partei wurde daher für schuldig erkannt, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, für ein Produkt einen Preis von ‚0 EUR‘ oder sinngleich zu behaupten, wenn natürliche Personen in Wahrheit jedenfalls einen höheren Betrag, insbesondere eine Urheberrechtsabgabe von 3 EUR, unvermeidbar und vorhersehbar bezahlen müssen, um das Produkt zu erhalten.

Im Hinblick auf die Servicepauschale gab der OGH der Revision der Beklagten statt und stellte das erstgerichtliche Urteil wieder her.

Bei einer Aufforderung an Verbraucher zum Kauf gelten die in § 2 Abs 6 UWG aufgezählten Informationen als wesentlich im Sinne des Abs 4, sofern sich diese Informationen nicht unmittelbar aus den Umständen ergeben, und zwar nach Z 3 „der Preis einschließlich aller Steuern und Abgaben oder, wenn dieser vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden kann, die Art seiner Berechnung“. Fehlt eine wesentliche Information iSd § 2 Abs 4 bis 6 UWG, so hat eine gesonderte Prüfung der Irreführungseignung (Wesentlichkeit) der unterbliebenen Information und der Spürbarkeit (Relevanz) zu entfallen. Der OGH ging in DIESER Entscheidung davon aus, dass ein informierter und verständiger Kunde für eine informierte Kaufentscheidung (nur) verlässlich wissen müsse, wie viel er für die angebotene Leistung insgesamt zu zahlen habe.

Der Kläger wollte die Beklagte im Ergebnis verpflichten, bei „unbefristeten Verträgen über Telekommunikationsdienstleistungen“ die Vorgaben des § 4 Abs 1 Z 5 FAGG, die für jeden Abrechnungszeitraum anfallenden Gesamtkosten auszuweisen, „bereits im Rahmen der ursprünglichen Preisangabe (in derselben Kommunikation)“ einzuhalten, und sohin noch vor Beginn eines Bestellvorgangs. Der OGH befand aber, dass dies über die gesetzlichen Anforderungen hinausgeht. Auch § 9 iVm § 13 PrAG führt zu keiner derart umfassenden Preisauszeichnungspflicht.

Der OGH gab der Revision der Beklagten in diesem Punkt Folge und stellte das Urteil des Erstgerichts wieder her.

 

 

Link zur Entscheidung

 

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