OGH-Entscheidung vom 16.12.2021, 4 Ob 102/21k

 

Sachverhalt:

Die Beklagte bewarb Mobilfunkangebote. Dabei warb sie unter anderem für Mobiltelefone und Handy-Tarife mit und ohne Mindestvertragsdauer. Manche Tarife („SIM Only“) wurden ohne Mindestvertragsdauer angeboten und umfassten nur Telekommunikationsdienstleistungen, aber kein Smartphone. Bei anderen Tarifen war jeweils ein Smartphone inkludiert, wobei dort die monatliche Grundgebühr um 10-15 EUR höher als bei der SIM Only-Variante desselben Tarifs war. Diese Kombi-Angebote wurden groß und im Fettdruck mit „€ 0“ beworben. Im Kleingedruckten wurde jeweils auf „24 Monate MVD“ bzw „Mindestvertragsdauer 24 Monate“ hingewiesen.

Der Verein für Konsumenteninformation klagte, weil er der Ansicht war, dass der Verbraucher für das Mobiltelefon tatsächlich nicht 0 EUR zahle, sondern bei einer Mindestvertragsdauer von 24 Monaten zumindest 240 EUR (= 24×10 EUR). Das Kopplungsangebot verstoße gegen das UWG.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht wies das Unterlassungsbegehren ab. Nach jahrelanger Konfrontation mit Angeboten von Mobiltelefonen um null Euro sei dem Verbraucher bereits bewusst, dass keine Smartphones verschenkt würden, sondern ihr Preis über die Mindestvertragsdauer und die höhere Grundgebühr finanziert werde. Das Berufungsgericht gab dem Unterlassungsbegehren wiederum statt. Der OGH bestätigte diese Entscheidung.

Im Anhang zum UWG sind Geschäftspraktiken angeführt, die unter allen Umständen als unlauter gelten. Ziffer 20 des Anhangs untersagt die Beschreibung eines Produktes als „gratis“, „umsonst“, „kostenfrei“ oder ähnlich, obwohl der Umworbene weitergehende Kosten als diejenigen zu tragen hat, die im Rahmen des Eingehens auf die Geschäftspraktik und für die Abholung oder Lieferung der Ware unvermeidbar sind.

Gratisankündigungen sind also nicht ausnahmslos verboten. Solange die Inanspruchnahme eines Angebots tatsächlich keine Kosten verursacht, steht es Unternehmern auch frei, auf die Unentgeltlichkeit hinweisen. Als „Kosten“ gelten dabei auch vergütungspflichtige Folgeverpflichtungen (zB kostenpflichtige Abonnements, Mitgliedschaften) oder – wie hier – entgeltliche Vertragsbindungen.

Verboten sind „im Gesamtangebot versteckte Kosten, wenn der Unternehmer bei einer Werbung für „kostenlose“ Zugaben oder Teilleistungen gleichzeitig den Preis für die Hauptware erhöht oder die Qualität der Hauptware absenkt, ohne dies kenntlich zu machen.

Im vorliegenden Fall sah der OGH den Tatbestand des UWG Anh Z 20 verwirklicht, weil die Beklagte die in allen anderen Parametern identischen Telekommunikationstarife mit und ohne Hardware zu verschiedenen monatlichen Preisen anbot, wodurch das Mobiltelefon die Kunden daher unter Berücksichtigung der Mindestvertragsdauer mindestens 240 EUR kostet. Die Bewerbung des Mobiltelefons als „gratis ist unter diesen Umständen jedenfalls unzulässig.

 

 

Link zum Entscheidungstext

 

 

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