EuGH-Urteil vom 7.9.2016, Rechtssache C‑310/15

Sachverhalt:

Der Kläger kaufte einen Laptop der Marke Sony VAIO mit vorinstallierter Software wie u.a. dem Betriebssystem Microsoft Windows Vista Home-Premium-Edition. Bei der ersten Nutzung dieses Computers lehnte der Kläger es ab, den auf dem Computerbildschirm angezeigten „Endbenutzer-Lizenzvertrag“ (EULA) des Betriebssystems zu unterzeichnen, und verlangte von Sony die Erstattung des den Kosten der vorinstallierten Software entsprechenden Teils des Kaufpreises des Computers. Sony verweigerte diese Erstattung mit der Begründung, dass die VAIO-Computer mit der vorinstallierten Software ein einheitliches und untrennbares Angebot darstellten. Sony bot dem Kläger an, den Verkauf für ungültig zu erklären und ihm den vollständigen Kaufpreis gegen Rückgabe der gekauften Ware zu erstatten. Der Kläger lehnte dieses Angebot ab und verklagte Sony beim Tribunal d’instance d’Asnières (Amtsgericht Asnières, Frankreich) auf Zahlung u. a. einer pauschalen Entschädigung für vorinstallierte Software in Höhe von 450 Euro sowie von Schadensersatz wegen unlauterer Geschäftspraktiken in Höhe von 2 500 Euro.

Die Klage wurde in erster und zweiter Instanz abgewiesen.

Die drittinstanzliche Cour de cassation (Kassationsgerichtshof Frankreich) führte aus, dass die geltenden nationalen Rechtsvorschriften unter die Richtlinie 2005/29 fielen, und beschloss, das Verfahren auszusetzen und es dem EuGH zur Vorabentscheidung. Zusammengefasst sollte geklärt werden, ob eine Geschäftspraxis, die im Verkauf eines Computers mit vorinstallierter Software besteht, ohne dass der Verbraucher die Möglichkeit hat, dasselbe Computermodell ohne vorinstallierte Software zu beziehen, eine unlautere Geschäftspraxis im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2005/29 darstellt

Entscheidung:

Zunächst führte der EuGH aus, dass eine Geschäftspraxis nur unter den beiden Voraussetzungen als unlauter im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2005/29 gelten kann, dass sie zum einen den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht widerspricht und zum anderen in Bezug auf das jeweilige Produkt das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers wesentlich beeinflusst oder dazu geeignet ist, es wesentlich zu beeinflussen. Es ist daher zunächst anhand der berechtigten Erwartungen eines Durchschnittsverbrauchers zu prüfen, ob im Verhalten des Gewerbetreibenden ein Verstoß gegen die anständigen Marktgepflogenheiten oder den allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben in seinem Tätigkeitsbereich, im vorliegenden Fall der Herstellung einer für die breite Öffentlichkeit bestimmten Hardware, liegt. Den Vorentscheidungen konnte der EuGH entnehmen, dass der Verkauf von Computern mit vorinstallierter Software durch Sony den sich aus der Untersuchung des betreffenden Marktes ergebenden Erwartungen eines wesentlichen Teils der Verbraucher entspricht, die den Erwerb eines so ausgestatteten und sofort nutzbaren Computers dem getrennten Kauf von Computer und Software vorziehen. (Die weitere Klärung der Frage, ob die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, spürbar beeinträchtigt wurde, überlies der EuGH dem Kassationsgerichtshof Frankreich.)

Der EuGH kam folglich zu dem Ergebnis, dass eine Geschäftspraxis, die im Verkauf eines Computers mit vorinstallierter Software besteht, ohne dass der Verbraucher die Möglichkeit hat, dasselbe Computermodell ohne vorinstallierte Software zu beziehen, an sich keine unlautere Geschäftspraxis im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2005/29 darstellt, es sei denn, eine solche Praxis widerspricht den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht und beeinflusst in Bezug auf dieses Erzeugnis das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers wesentlich oder ist dazu geeignet, es wesentlich zu beeinflussen.

Auch das Fehlen einer Preisangabe für die einzelnen vorinstallierten Programme stellt keine irreführende Geschäftspraxis dar.