OGH-Entscheidung vom 22.4.2022, 4 Ob 4/22z
Sachverhalt:
Die Streitparteien vertreiben und warten landwirtschaftliche Maschinen in Österreich. Die Antragstellerin schloss 2005 eine mündliche Alleinvertriebsvereinbarung mit einer deutschen Herstellerin von landwirtschaftlichen Maschinen. Kündigungsbestimmungen wurden nicht vereinbart. Ende Februar 2020 vereinbarte die Herstellerin wiederum mit der Antragsgegnerin, dass nun diese Generalimporteurin und Alleinvertriebsberechtigte für Österreich sein solle. Die Antragsgegnerin bezeichnete sich seit damals als Alleinvertriebspartnerin der Herstellerin und warb laufend mit dieser Stellung.
Die Antragstellerin wurde im Laufe des darauffolgenden Jahres (bis auf Ersatzteile) nicht mehr von der Herstellerin beliefert. Mit anwaltlichem Schreiben kündigte die Herstellerin im Herbst 2020 die Zusammenarbeit mit der Antragstellerin „rein vorsorglich“ fristlos, hilfsweise auch ordentlich. Sie vertrat dabei den Standpunkt, dass sie bereits im Februar 2020 gekündigt hätte. Dies konnte sie im Verfahren aber ebenso wenig bescheinigen wie (wichtige) Gründe für eine Kündigung.
Die Antragstellerin beantragte folglich die Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Der Antragsgegnerin solle es verboten werden, im geschäftlichen Verkehr zu behaupten, es gäbe Produkte der Herstellerin in Österreich exklusiv nur bei ihr zu kaufen.
Entscheidung:
Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Da keine Gründe für eine außerordentliche Kündigung vorlägen, müsse die Herstellerin bei Kündigung ihrer Alleinvertriebsvereinbarung mit der Antragstellerin eine Kündigungsfrist von mindestens einem Jahr einhalten. Im Entscheidungszeitpunkt (Oktober 2021) sei daher die Antragstellerin noch immer Vertriebspartnerin der Herstellerin. Die Behauptung der Antragsgegnerin, alleinige Vertriebspartnerin zu sein, sei daher objektiv falsch und irreführend.
Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag hingegen ab. Die Werbeaussage der Antragsgegnerin „Sämtliche *-Maschinen und Ersatzteile gibt es österreichweit nur bei [Antragsgegnerin]“ werde von den Adressaten so verstanden, dass in Österreich nur die Antragsgegnerin Produkte und Ersatzteile anbiete, die unmittelbar von der Herstellerin bezogen werden. Dies sei auch zutreffend. Eine darüberhinausgehende Exklusivität habe die Antragsgegnerin nicht behauptet.
Der OGH befand den dagegen erhobenen Revisionsrekurs zur Wahrung der Rechtssicherheit für berechtigt und beurteilte die beanstandete Werbeaussage als irreführend. Beim Irreführungstatbestand des § 2 UWG ist allgemein zu prüfen, wie ein Durchschnittsadressat die strittige Ankündigung versteht, ob dieses Verständnis den Tatsachen entspricht, und ob eine nach diesem Kriterium unrichtige Angabe geeignet ist, ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte. Dabei kommt es nur auf die objektive Unrichtigkeit der Aussage an, nicht aber auf die Erkennbarkeit der Unrichtigkeit der eigenen Aussage für den Werbenden.
Ein Alleinvertriebsrecht liegt vor, wenn der Hersteller in einem bestimmten Vertragsgebiet nur diesen einen Vertragshändler zulässt. Das Alleinvertriebsrecht kann mit einem Gebietsschutz gekoppelt sein.
Die Aussage „Sämtliche *-Maschinen und Ersatzteile gibt es österreichweit nur bei [Antragsgegnerin]“ enthält die klare Botschaft, dass es die genannten Produkte in Österreich nirgendwo anders zu kaufen gäbe als bei der Antragsgegnerin. Eine Beschränkung der behaupteten Exklusivität auf die Vertriebsstufe unmittelbar unterhalb der Herstellerin war vom OGH entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts im Text nicht zu erkennen.
Diese beworbene Exklusivität lag tatsächlich nicht vor. Die Behauptung nicht vorliegender Exklusivität des Angebots war daher irreführend.
Die übrigen Sicherungsbegehren der Antragstellerin (Verbot der Eigenbezeichnung als Generalimporteur und/oder Vertragspartner und/oder Vertragshändler; Verbot von Bewerbung, Erwerb, Anbot und Verkauf von Produkten und Serviceleistungen der Herstellerin) wurden jedoch abgewiesen. Die Antragstellerin begründete diese Anträge damit, dass ihre Alleinvertriebsvereinbarung mit der Herstellerin noch immer aufrecht sei, weil die angemessene Kündigungsfrist bei derart marktaufbauintensiven Spezialmaschinen jedenfalls zwei bis drei Jahre betrage. Die Antragsgegnerin habe daher ihren Vertrieb in Österreich einzustellen. Der OGH stimmte den Vorinstanzen zu, die im vorliegenden Fall von einer Kündigungsfrist von einem Jahr ausgingen. Da im Zeitpunkt der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs somit keine aufrechte Vertriebsvereinbarung bescheinigt war, wurden die auf ihre Verletzung gestützten Sicherungsanträge abgewiesen.
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