OGH-Entscheidung vom 17.9.2014, 4 Ob 125/14g

Sachverhalt:

Die Klägerin ist ein Handelsunternehmen, das seit über 30 Jahren auch im Bereich Chemikalien und Polymere tätig ist. Im Frühjahr/Sommer 2013 beendeten mehrere Arbeitnehmer der Klägerin ihr Dienstverhältnis, darunter auch zwei Personen, die bereits seit mehreren Jahren dort tätig waren, über einen großen Erfahrungsschatz und wichtige Lieferanten- und Kundenkontakte verfügten und in der Folge ein Arbeitsverhältnis zur Beklagten begründeten. Vor dem Abschluss seines Arbeitsvertrags mit der Beklagten wurde die bestehende Konkurrenzklausel im bisherigen Arbeitsvertrag thematisiert. Die Beklagte erachtete diese Konkurrenzklausel nach einer rechtlichen Prüfung für nicht haltbar, gab aber dennoch eine Schadloserklärung an ihre zukünftigen Dienstnehmer ab, für den Fall, dass die Klägerin Forderungen an die wechselnden Dienstnehmer stellt.

Die Klägerin klagte sodann auf Unterlassung und beantragte eine einstweilige Verfügung, wonach es die Beklagte zu unterlassen habe, 1. Mitarbeiter der Klägerin unter Verletzung einer mit der Klägerin vereinbarten Konkurrenzklausel abzuwerben und 2. diese bis zum Ablauf der Konkurrenzklausel zu beschäftigen. Die Beklagte habe den betreffenden Mitarbeitern der Klägerin die Schadloshaltung im Fall eines rechtlichen Vorgehens der Klägerin wegen eines Verstoßes gegen die Konkurrenzklausel zugesichert. Damit habe die Beklagte gegen § 1 UWG verstoßen.

Entscheidung:

Das Erstgericht gab lediglich dem ersten Punkt des Unterlassungsbegehrens statt. Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag zur Gänze ab. Die Klägerin hatte auch mit ihrem Revisionsrekurs an den OGH keinen Erfolg:

Das Ausnützen fremden Vertragsbruchs ist – auch wenn es zu Zwecken des Wettbewerbs geschieht – nicht wettbewerbswidrig an sich, es sei denn, der Dritte hat den Vertragsbruch bewusst gefördert oder sonst aktiv dazu beigetragen. Vor der UWG-Novelle 2007 galt es als sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG, wenn sich der neue Dienstgeber dazu verpflichtete, dem neuen Dienstnehmer die für den Fall des Bruchs der Konkurrenzklausel vereinbarte Konventionalstrafe zu ersetzen.

Diese Ansicht sah der OGH nun als überholt an und kam nach einer Erörterung der jüngeren Literatur zu dem Ergebnis, dass die Wettbewerbsfreiheit auch die Nachfrage nach Mitarbeitern umfasst. Unternehmen haben ebenso wenig einen Anspruch auf den Mitarbeiterbestand, wie sie einen Anspruch auf einen Kundenbestand haben. Das Abwerben oder Ausspannen von Mitarbeitern eines Mitbewerbers ist daher für sich allein selbst dann noch nicht wettbewerbswidrig, wenn es unter Verleitung zum Vertragsbruch erfolgt. Erst durch Hinzutreten besonderer Begleitumstände, die den Wettbewerb verfälschen, insbesondere, wenn das Abwerben unter Irreführung oder mittels aggressiver geschäftlicher Handlung vorgenommen wird, wird ein wettbewerbsrechtlich verpöntes Verhalten verwirklicht.

Hier hat die Beklagte die ehemaligen Mitarbeiter der Klägerin weder durch Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit, etwa durch Täuschung oder Ausübung von Druck, noch mittels Irreführung oder aggressiver geschäftlicher Handlungen abgeworben. Die Beklagte hat von sich aus keine abwerbenden Handlungen unternommen und vor Einstellung eine rechtliche Prüfung der Konkurrenzklausel veranlasst, die zum plausiblen Ergebnis gelangt ist, dass diese Klauseln nicht rechtsbeständig seien.

Eine Unlauterkeit des angegriffenen Verhaltens der Beklagten wird auch nicht allein dadurch begründet, dass von dem guten Angebot des Mitbewerbers eine attraktive Wirkung ausgeht. Finanziell interessante Vorteile sind Bestandteil jedes attraktiven Angebots, und die von ihnen ausgehende Beeinflussung ist daher nicht unlauter, sondern wettbewerbsimmanent. Auch „Wechselprämien“ sollen grundsätzlich zulässig sein.

Im Ergebnis war die Zusage der Beklagten an die beiden durch eine Konkurrenzklausel gebundenen Mitarbeiter der Klägerin, sie bezüglich aller rechtlichen Konsequenzen der Verletzung dieser Vertragspflicht als Folge eines Dienstgeberwechsels schadlos zu halten, nicht als unlauteres Verhalten zu beurteilen.