OGH-Entscheidung vom 17.10.2023, 4 Ob 100/23v

 

Sachverhalt:

Der Beklagte ist Einzelunternehmer mit Sitz in Deutschland und tritt (auch) in Österreich mit der Bezeichnung „Wirtschaftskanzlei“ auf. Er ist weder in Deutschland noch in Österreich als Rechtsanwalt zugelassen, tritt aber im Geschäftsverkehr derart auf, dass er Unternehmen mit Klagen im Namen einer Vielzahl von Haushalten bedroht und auf seiner Website von „weiteren Anwaltskollegen“ spricht. Dazu verwendet er zumeist auch folgende Grafik:

Die oberösterreichische Rechtsanwaltskammer beantragte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, wonach es dem Beklagten untersagt werden solle, in Österreich wohnhafte Verbraucher rechtlich zu beraten oder zu vertreten sowie unter Verwendung des oben dargestellten Logos unter der Bezeichnung „Wirtschaftskanzlei“  bzw auch nur unter der unter der Bezeichnung „Wirtschaftskanzlei“ geschäftlich aufzutreten.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht erlies die einstweilige Verfügung in den ersten beiden Punkten; die Verwendung der Bezeichnung „Wirtschaftskanzlei“ allein untersagte es nicht. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Der OGH wies den Revisionsrekurs der klagenden Rechtsanwaltskammer zurück.

In früheren Entscheidungen sei bereits erkannt worden, dass vergleichbare Begriffe wie „Kompetenzcenter“ oder „Unabhängige Opferschutzanwaltschaftnicht irreführend sind.

Die Bezeichnung „Wirtschaftskanzlei“ durch einen Unternehmensberater ruft bei den angesprochenen Verkehrskreisen keine Fehlvorstellung iSd § 2 UWG hervor, zumal der Begriff „Wirtschaftskanzlei“ nicht den Rechtsanwälten vorbehalten sei. Der durchschnittliche Marktteilnehmer versteht darunter auch andere – nicht juristische – Berufszweige.

Mit „Kanzlei“ werden im Allgemeinen nicht ausschließlich freiberufliche Tätigkeiten verbunden (vgl etwa „Realitätenkanzlei“ für Immobilienmakler). Auch der Begriff „Wirtschaft“ führt (auch im Zusammenhang mit „Kanzlei“) nicht zwingend zur Anwaltstätigkeit, zumal es sich dabei um einen sehr weiten Begriff handelt.

Da der Begriff „Wirtschaftskanzlei“ somit keiner bestimmten Berufsgruppe vorbehalten ist, liegt keine „Mehrdeutigkeit“ vor.

 

 

Link zur Entscheidung

 

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