OGH-Entscheidung vom 23.5.2024, 4 Ob 25/24s
Sachverhalt:
Die Beklagten produzieren und vertreiben das Erfrischungsgetränk „Römerquelle bio limo leicht“. Auf dem Etikett sind eine Limette, vier Minzblätter und eine aufgeschnittene Zitrone sowie die Schriftzüge „bio limo leicht“ und „zitrone limette minze“ abgebildet:
Auf der Rückseite wird das Produkt als „Kalorienarmes Zitronenerfrischungsgetränk mit Minze-/Limettengeschmack“ deklariert. Zusätzlich finden sich folgende Angaben:
„Pasteurisiert. Biologisch. Zutaten: natürliches Mineralwasser, Zucker°, Zitronensaft° aus Zitronensaftkonzentrat (5,3%), Apfelsaft° aus Apfelsaftkonzentrat (3,7%), Kohlensäure, natürliche Aromen, Antioxidationsmittel: Ascorbinsäure.
(°) aus biologischer Landwirtschaft“.
Die Rezeptur beinhaltet ein natürliches Minzaroma, das gemäß Art 16 Abs 4 Aromen-VO 1334/2008 also ausschließlich oder zu mindestens zu 95 Gew-% aus Minze hergestellt sein muss. Natürliches Limetten-Aroma ist ebenfalls enthalten, allerdings nur als Teil einer Mischung verschiedener natürlicher Zitrusfrüchte-Aromen.
Das Getränk wurde dem Verfahren u.a. mit folgenden Formulierungen beworben: „Ihr Fruchtanteil besteht aus Obst aus biologischem Anbau“ und „Die Kombination aus prickelndem Römerquelle Mineralwasser und Anteilen biologisch angebauter Zitrone, Limette und Minze (…)“.
Entscheidung:
Das Erstgericht wies die Klage ab. Das Berufungsgericht hingegen gab dem ersten Unterlassungseventualbegehren statt, das sich durch den Zusatz „und darauf nicht hinreichend deutlich hingewiesen wird“ unterscheidet. Konkret untersagte es den Beklagten also, den unrichtigen Eindruck zu erwecken, von ihnen in Verkehr gebrachte Bio-Limonaden enthielten bestimmte Frucht- und/oder Kräuteranteile, wenn tatsächlich ein oder mehrere dieser vorgeblichen Zutaten in der Limonade nicht oder nur in Form von Aromen enthalten sind, und darauf nicht hinreichend deutlich hingewiesen wird.
Der OGH befand die Revision der Beklagten zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.
Maßgebend für die Frage der Irreführung ist nach dem EuGH (Teekanne-Urteil) der Gesamteindruck der Etikettierung, also „alle[r] Angaben, Kennzeichnungen, Hersteller- oder Handelsmarken, Abbildungen oder Zeichen, die sich auf ein Lebensmittel beziehen und die auf dessen Verpackung angebracht sind“. Wenn einige dieser verschiedenen Elemente unwahr, falsch, mehrdeutig, widersprüchlich oder unverständlich sind, kann es sein, dass das Zutatenverzeichnis, auch wenn es richtig und vollständig ist, nicht geeignet ist, eine Fehlvorstellung des Verbrauchers bezüglich der Eigenschaften eines Lebensmittels zu berichtigen.
Die von der österreichischen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, wonach ein aufklärender Hinweis eine bereits durch Blickfangelemente hervorgerufene Irreführung nicht verhindern kann (siehe zB hier im BLOG), stehen also mit der Judikatur des EuGH im Einklang. Die Erfüllung der Kennzeichnungspflicht immunisiert nicht generell gegen Irreführung.
Im Übrigen ist Lebensmittelproduzenten eine Irreführung der Verbraucher nicht nur nach § 2 UWG untersagt, sondern auch ausdrücklich durch das Lebensmittelkennzeichnungsrecht der Europäischen Union. Art 7 Abs 1 lit a LMIV lautet ganz klar: „Informationen über Lebensmittel dürfen nicht irreführend sein, insbesondere in Bezug auf die Eigenschaften des Lebensmittels, insbesondere in Bezug auf Art, Identität, Eigenschaften, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprungsland oder Herkunftsort und Methode der Herstellung oder Erzeugung“.
Im vorliegenden Fall geht es nicht darum, dass die Irreführung nicht aus der (zulässigen) Verwendung von Aromen in einem als „bio“ gekennzeichneten Lebensmittel abgeleitet wurde. Vielmehr sollte mit dem Unterlassungsgebot eine Diskrepanz zwischen der durch den Gesamteindruck der Produktpräsentation hervorgerufenen Verbrauchererwartung vermieden werden, die Bio-Limonade enthielte der Geschmacksrichtung entsprechende Frucht- und/oder Kräuteranteile, und der Tatsache, dass zwei der drei Geschmackskomponenten stattdessen nur durch Aromen erzeugt werden.
Durch die Wortfolge „zitrone limette minze“, die blickfangartige Abbildung von diesen Früchten und Kräutern in naturgetreuer Form sowie die Gestaltung von Verpackung und Getränk selbst und nicht zuletzt durch den Zusatz „bio“ weckt das Produkt (gewollte) Assoziationen mit einer sehr naturbelassenen, selbstgemachten Erfrischung. Auch wenn dem Verbraucher klar ist, dass das Getränk in der Plastikflasche im Supermarktregal gerade nicht hausgemacht ist, verheißt die Aufmachung doch eine Rezeptur mit wenigen Zutaten in minimal verarbeiteter Form. Wenn in der Produktbeschreibung auch noch von „Fruchtanteilen“ die Rede ist, berechtigt dies den Verbraucher jedenfalls zur Erwartung, dass das Getränk solche Anteile für all seine Geschmackskomponenten in tatsächlich erwähnenswerter Menge enthalten muss. Dies traf aber gerade auf die Limette nicht zu.
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