OLG Wien-Entscheidung vom 1.2.2024, 33 R 112/23t

 

 

Sachverhalt:

Die Spanische Hofreitschule meldete die Wortmarke LIPIZZANER für Waren und Dienstleistungen der Klassen 3, 4, 8, 9, 14, 16, 18, 21, 24, 25, 28 bis 34, 41, 43 und 44 beim Österreichischen Patentamt an.

Das Patentamt wies die Eintragung der Marke für einen Teil der Waren und Dienstleistungen ab. Dagegen erhob die Antragstellerin Rekurs.

 

Entscheidung:

Das OLG Wien gab dem Rekurs teilweise Folge.

Von der Registrierung als Marke sind nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG Zeichen ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben. Eine Marke ist unterscheidungskräftig, wenn sie geeignet ist, die Ware oder Dienstleistung, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen (Herkunftsfunktion). Die Beurteilung, ob einer Waren- oder Dienstleistungsbezeichnung Unterscheidungskraft zukommt, ist anhand des Gesamteindrucks des Zeichens nach Maßgabe der Auffassung der beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen. Unterscheidungskraft fehlt bei einer Marke jedenfalls dann, wenn die maßgebenden Verkehrskreise sie als Information über die Art der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen verstehen, nicht aber als Hinweis auf deren Herkunft.

Nach § 4 Abs 1 Z 4 MSchG sind zudem solche Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Werts, der geografischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können. Eine Marke ist beschreibend, wenn die beteiligten Verkehrskreise den Begriffsinhalt zwanglos und ohne komplizierte Schlussfolgerungen erschließen können. Eine beschreibende Marke ist auch nicht unterscheidungskräftig. Dass beschreibende Angaben nicht schützbar sind, soll verhindern, dass Begriffe monopolisiert werden, mit denen im Allgemeinen Waren oder Dienstleistungen bezeichnet werden können.

Dem Zeichen „LIPIZZANER“ fehlt die Unterscheidungskraft im Hinblick auf die Waren Tierpflegemittel, Reithüte und Reithelme, Schuhwaren, insbesondere Reitschuhe, Reitstiefel und Gummistiefel, schon wegen dieses beschreibenden Charakters. Würde man das Wort „LIPIZZANER“ für Figuren, Kunstwerke, Bücher, Plakate, Spielfiguren, Spielzeugtiere etc schützen, hätte das zur Folge, dass niemand derartige Gegenstände herstellen oder vertreiben dürfte, die entweder einen Lipizzaner darstellen oder einem Lipizzaner ähnlich sind, ohne ins Markenrecht der Antragstellerin einzugreifen. Die gleichen Überlegungen gelten für alle Waren, die bestimmungsgemäß Inhalte transportieren, seien es Texte, Bilder oder Filme. Ein Schutz für diese Waren würde bedeuten, dass niemand ohne Markenrechtsverletzung derartige Waren mit dem Inhalt und mit dem Hinweis auf diesen Inhalt vertreiben dürfte, die sich mit Lipizzanern befassen.

Das OLG Wien teilte die Rechtsansicht des Patentamtes jedoch nicht durchgehend:

Waren und Dienstleistungen ohne speziellen und naheliegenden Bezug zu Pferden oder zum Reiten von Pferden sind einem Markenschutz zugänglich. Auch wenn „Merchandisingartikel“ mit einem Lipizzaner gestaltet sind, beschreibt das Zeichen „LIPIZZANER“ nicht die betroffene Warengattung. (Beispiel: Ein Regenschirm oder eine Christbaumkugel, auf denen ein Lipizzaner abgebildet ist, bleiben ein Regenschirm und eine Christbaumkugel.) Eine solche Betrachtungsweise würde das Schutzhindernis der beschreibenden Eigenschaft uferlos machen. Auch im Hinblick auf die Dienstleistungen der Klasse 43: Verpflegung von Gästen; Betrieb von Restaurants, Buffets und Cafés; hat „LIPIZZANER“ keine beschreibende Funktion.

Das OLG Wien bejahte, dass die Marke „LIPIZZANER“ grundsätzlich als Hinweis auf eine betriebliche Herkunft geeignet ist. (Auszugsweise für: Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Kerzen, Besteck, Messer, Brillen, Juwelier- und Schmuckwaren, Zeitschriften, Zeitungen und andere Medien in Papierform, Alben, insbesondere Fotoalben, Notizblöcke, Schachteln aus Papier oder Pappe, Servietten, Regen- und Sonnenschirme, Spazier- und Wanderstöcke, Taschen, Geschirr, Trinkgefäße, Textilwaren, Kopfbedeckungen (ausgenommen Reithüte und Reithelme), Bekleidung, Spielwaren und Spielzeug, Backwaren, Christbaumschmuck, Konfitüren, Marmeladen, Biere, Getränke, Betrieb von Restaurants, Buffets und Cafés, etc).

Das Zeichen ist für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen ungewöhnlich. Die Marke wird bei den beteiligten Verkehrskreisen nicht unmittelbar eine Assoziation zur Art, Eigenschaft oder Herkunft der angebotenen Waren und Dienstleistungen herstellen. Auch wenn der Begriff „LIPIZZANER“ als positiv besetzter Begriff anzusehen sein mag, kann das Zeichen nicht als bloße Anpreisung der dahinter stehenden Waren und Dienstleistungen in einem werblichen Sinn gesehen werden. Jedenfalls bleibt der Begriff „LIPIZZANER“ im Hinblick auf die verbleibenden Waren und Dienstleistungen interpretationsbedürftig und gibt den beteiligten Verkehrskreisen die Möglichkeit, ihn sich als unterscheidungskräftige Marke für die Waren und Dienstleistungen einzuprägen.

Dass die Lipizzaner-Pferde nicht zuletzt aufgrund der Tätigkeit der Antragstellerin eine kulturelle Bedeutung haben, ändert nichts daran, dass der Begriff „LIPIZZANER“ im Hinblick auf die hier noch zu beurteilenden Waren und Dienstleistungen ein Fantasiewort im weiteren Sinn ist, weil es mit diesen Waren und Dienstleistungen in keinem Zusammenhang steht.

Markenrechtlich gibt es kein Hindernis für die Eintragung eines Zeichens, das einem „österreichischen Kulturgut“ entspricht oder damit in Verbindung gebracht wird. Dass die Bezeichnung und/oder Geschäftstätigkeit eines Anmelders kulturell bekannt sind, wirkt sich auf die Registrierbarkeit einer daran angelehnten Marke grundsätzlich nicht aus.

Für ein vom Patentamt angedeutetes allgemeines und umfassendes Freihaltebedürfnis an der Bezeichnung für eine in Österreich bekannte Pferderasse gibt es damit keine Rechtsgrundlage. Da „LIPIZZANER“ keinen beschreibenden Zusammenhang zu den o.g. Waren und Dienstleistungen aufweist, kann auch kein Freihaltebedürfnis bestehen.

 

 

Link zur Entscheidung

 

Weitere Blog-Beiträge zum Thema Markenrecht:

Spanische Hofreitschule hat keine Ausschließungsrechte am Begriff „Lipizzaner“. Keine „Monopolisierung“ einer Pferderasse.

Spanische Hofreitschule erwirkt Löschung bösgläubiger „LIPIZZANER“-Markenanmeldungen.

Aktuelle Entscheidungen des OLG Wien zu Markenanmeldungen und in Widerspruchsverfahren

Marke „VERTRAGSCHECK24“ nicht unterscheidungskräftig. Kein Markenschutz.

„ICONIC ENTERTAINMENT“: Keine Unterscheidungskraft für Unterhaltungsdienstleistungen. Kein Markenschutz.

Kein Markenschutz für Obst- und Gemüsewaren: „HAUSGARTEN“ ist nicht unterscheidungskräftig.

„VerliebtAb40“: Mangels Unterscheidungskraft kein Markenschutz für Partnervermittlungsdienstleistungen.

Unionsmarke in leicht veränderter Form benutzt: EuG bestätigt rechtserhaltende Benutzung, da ursprüngliche Unterscheidungskraft der Marke nicht beeinflusst.

Kein Markenschutz für Getränke: „KAHLENBERG DAS BELIEBTESTE WASSER DER WELT“ ist nicht unterscheidungskräftig.

Fehlende Unterscheidungskraft: Typische Gestaltung einer Tankstelle erfüllt keine Herkunftsfunktion und ist nicht als Marke schutzfähig (OGH zur „sonstigen Marke“).

EuG: „Batman“-Logo von DC Comics hat ausreichend Unterscheidungskraft als Marke.

EuG: Marke „FUCKING AWESOME“ fehlt es an Unterscheidungskraft. Ausdruck für junges Zielpublikum üblich und nicht originell.