OGH-Entscheidung vom 27.6.2023, 4 Ob 87/23g

 

Sachverhalt:

Die (hier klagende) Spanische Hofreitschule ist eine Gesellschaft öffentlichen Rechts gemäß § 1 Spanische Hofreitschule-Gesetz mit dem Zweck der dauerhaften Erhaltung und traditionsgemäßen Zucht der Pferderasse „Lipizzaner“, zur Erhaltung der Tradition und der Hohen Schule der klassischen Reitkunst, zur traditionsgemäßen Nutzung der betreffenden Teile der Hofburg und des Bundesgestütes Piber und damit zur Wahrung des öffentlichen Interesses am dadurch repräsentierten österreichischen und internationalen Kulturgut.

Der (nationale wie internationale) Ruf und die Wertschätzung der Lipizzaner-Pferde wird von der Klägerin seit jeher kommerziell genützt. Sie ist seit 1987 Inhaberin folgender Wortbildmarke:

Den Begriff „Lipizzaner“ hat sie dagegen weder als Wortmarke noch als Teil einer Wortbildmarke registriert.

Die beklagten Gesellschaften wurden Mitte der 1990er gegründet. 1999 und 2000 ließen sie den Begriff „Lipizzaner“ als Wortmarke und als Bestandteil einer Wortbildmarke registrieren (wie in diesem Blog-Beitrag berichtet, beantragte die Spanische Hofreitschule jedoch erfolgreich die Löschung der Marken wegen Bösgläubigkeit der Markenanmelderin).

Unter diesen Marken vertreiben die beklagten Lebensmittel, insbesondere mit weißer Schokolade überzogene „Lipizzaner-Kugeln“ sowie die „Lipizzaner-Torte“ mit weißer Glasur. Mittlerweile sind auch „Lipizzaner-Kosmetikprodukte“ im Sortiment der Beklagten. In Wien werden drei eigene „Lipizzaner-Shops“ sowie ein Online-Shop betrieben. Ebenso wurden zahlreiche Domains bezugnehmend auf „Lipizzaner“ registriert.

Die Klägerin klagte auf Unterlassung der Kennzeichenverwendung, Entfernung von Beschilderungen, Vernichtung der gekennzeichneten Produkte, Löschung der Domains, Rechnungslegung, Zahlung von angemessenem Entgelt sowie Urteilsveröffentlichung.

 

Entscheidung:

Die Vorinstanzen wiesen die Begehren ab. Die Klägerin könne ohne gesetzliche Grundlage (zB MSchG, UrhG, § 43 ABGB und § 9 Abs 1 UWG) keine Ausschließungsrechte am Begriff „Lipizzaner“ beanspruchen.

Eine Gattungsbezeichnung (hier: für eine Pferderasse) könnte zwar zu einem Unternehmenskennzeichen der Klägerin iSd § 9 Abs 1 UWG werden. Dafür müssten aber nahezu 100 % der angesprochenen Verkehrskreise sämtliche Lipizzanerpferde als „Produkt“ bzw „Kennzeichen“ der Klägerin verstehen. Dies behaupte aber nicht einmal die Klägerin und dies liegt im Hinblick auf die weltweite Zucht, ua im namensgebenden Lipica, sowie den vielfältigen Einsatz der Pferde in Sport und Freizeit auch nicht nahe.

Der OGH wies die außerordentliche Revision der Klägerin daher als unzulässig zurück. Der Begriff „Lipizzaner“ ist weder für die Klägerin geschützt noch kann sie die Gattungsbezeichnung einer Pferderasse „monopolisieren“. Dies gilt auch dann, wenn diese berühmte Pferderasse (auch) mit der Klägerin in Verbindung gebracht wird.

 

 

Link zum Entscheidungstext

 

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