OGH-Entscheidung vom 27.6.2023, 4 Ob 54/23d

 

 

Sachverhalt:

Die Antragsgegnerin ist seit 1999 Inhaberin der Wortmarke „LIPIZZANER“ und folgender Wortbildmarke, jeweils registriert für eine Vielzahl an Waren und Dienstleistungen:

Die (Zweit)Antragstellerin (Spanische Hofreitschule) ist eine Gesellschaft öffentlichen Rechts gemäß § 1 Spanische Hofreitschule-Gesetz mit dem Zweck der dauerhaften Erhaltung und traditionsgemäßen Zucht der Pferderasse „Lipizzaner“, zur Erhaltung der Tradition und der Hohen Schule der klassischen Reitkunst, zur traditionsgemäßen Nutzung der betreffenden Teile der Hofburg und des Bundesgestütes Piber und damit zur Wahrung des öffentlichen Interesses am dadurch repräsentierten österreichischen und internationalen Kulturgut. Sie ist Inhaberin diverser älterer Lipizzaner-Marken sowie folgender (älteren) Bildmarke:

Die Antragstellerinnen begehrten – gestützt ua auf § 34 MSchG (bösgläubige Markenanmeldung) die Löschung der Marken der Antragsgegnerin. Es sei notorisch, dass der Begriff „Lipizzaner“ seit langem mit der Spanischen Hofreitschule assoziiert und als deren Produkt- und Markenzeichen wahrgenommen werde. Der Ruf und die Wertschätzung der Lipizzaner werde von der Zweitantragstellerin seit jeher kommerziell genutzt, etwa durch den Verkauf von Souvenirartikeln. Die Antragsgegnerin habe keinen auch nur irgendwie gearteten Bezug zum Begriff „Lipizzaner“. Es sei daher offenkundig, dass sie ihre Marken allein aus unlauteren Motiven angemeldet habe. Die klare Behinderungsabsicht lasse sich auch aus der Vielzahl der Waren- und Dienstleistungsklassen ableiten.

 

Entscheidung:

Die Nichtigkeitsabteilung des Patentamts löschte die angegriffenen Marken zum Zeitpunkt ihrer Registrierung wegen bösgläubiger Anmeldung. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der OGH wies die Revision der Antragsgegnerin als unzulässig zurück.

 

Gemäß § 34 MSchG kann jedermann die Löschung einer Marke begehren, wenn der Anmelder bei der Anmeldung bösgläubig war. Bösgläubiger Markenrechtserwerb im Sinn des § 34 MSchG setzt die Absicht des Anmelders voraus, mit der Registrierung eines von einem Dritten bereits benutzten Zeichens als Marke eine „Waffe“ in die Hand zu bekommen, um ein von einem Mitbewerber aufgebautes System zu stören. Diese Absicht muss nicht der einzige Beweggrund des Anmelders sein; es genügt, dass es sich um ein wesentliches Motiv handelt.

Ob eine Anmeldung bösgläubig war, ist nach der Rechtsprechung des EuGH „umfassend“ zu beurteilen. Bösgläubigkeit wurde bisher in erster Linie bei Verletzung von Loyalitätspflichten oder bei Behinderung eines bereits das Zeichen nutzenden Dritten bejaht, ist jedoch nicht auf diese Fallgruppen beschränkt. Eine Markenanmeldung ist auch dann bösgläubig, wenn sie ohne eigene Benutzungs- oder Vermarktungsabsicht erfolgt, sondern hauptsächlich dazu dient, Dritte später auf Unterlassung und Zahlung in Anspruch zu nehmen. Bösgläubigkeit ist auch dann anzunehmen, wenn dem Markeninhaber im Zeitpunkt der Anmeldung bekannt war, dass Mitbewerber für ähnliche oder identische Waren Zeichen verwenden, die dem von ihm als Marke angemeldeten Zeichen verwechselbar ähnlich sind.

Zeitlich relevant für die Beurteilung ist ausschließlich der Zeitpunkt der Anmeldung.

In einer früheren Entscheidung hatte der OGH bereits anerkannt, wie sehr sich Institutionen wie Museen oder auch die Spanische Hofreitschule bemühen müssen, durch den Verkauf verschiedener Waren und Dienstleistungen, die mit der(n) bekannten Marke(n) der Institution gekennzeichnet seien (Merchandising), zusätzliche Einnahmen zu erzielen.

Die Antragsgegnerin nahm die Registrierung der Marken für eine nahezu unüberschaubare Anzahl an Waren und Dienstleistungen vor, um „Dritten zuvorzukommen“. Der OGH schloss sich daher der Annahme einer bösgläubigen Registrierung iSv § 34 MSchG durch die Vorinstanzen an.

 

 

Link zum Entscheidungstext

 

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Markenrechtlicher Benutzungszwang: Jedermann kann die Löschung einer Marke beantragen, wenn diese 5 Jahre lang nicht kennzeichenmäßig benutzt wurde.

Anmeldung einer ähnlichen Marke nach Ende eines Lizenzvertrages = lauterkeitswidriger Behinderungswettbewerb.