OGH-Entscheidung vom 27.7.2021, 4 Ob 99/21v

 

Sachverhalt:

Das beklagte Unternehmen warb mit folgenden Abbildungen und den darin enthaltenen Werbeaussagen „Stoppt das Schwitzen“ sowie „Nummer 1 in Italien“ und „Nummer 1 in Österreich“ für Deodorants:

Zur Wirkung: Die Deos der Beklagten können jeweils nach 48 Stunden ab der Anwendung beim Spray zu einer maximalen Schweißreduktion von etwa 25 % und beim Roll-On zu einer maximalen Schweißreduktion von etwa 50 % führen.

Die „Nummer 1“-Aussagen verwiesen in Fußnoten auf Studien, wonach das Produkt „Borotalco Original“ auf dem italienischen Deodorantmarkt von 2016 bis 2020 zwar den höchsten Jahresumsatz erzielte, beim Jahresabsatz jedoch hinter einem Produkt der Klägerin zurücklag. Für Österreich lag der wertmäßige Marktanteil des Roll-Ons der Beklagten im Jahr 2019 um 23 % und im Jahr 2020 um 14 % höher als beim zweitgereihten Produkt; Absatzzahlen sowie eine führende Stellung von Produkten der Beklagten auf dem gesamten österreichischen Deodorantmarkt ergaben sich aus der angegebenen Studie nicht.

 

Entscheidung:

Das Rekursgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung in Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung. Der OGH wies den außerordentlichen Revisionsrekurs der Beklagten zurück.

Unrichtige Angaben über die wesentlichen Merkmale eines Produkts sind irreführend (§ 2 Abs 1 Z 2 UWG). Beim Irreführungstatbestand ist zu prüfen, wie ein Durchschnittsverbraucher die strittige Ankündigung versteht, ob dieses Verständnis den Tatsachen entspricht, und ob eine nach diesem Kriterium unrichtige Angabe geeignet ist, ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte.

Für eine marktschreierische Anpreisung ist wesentlich, dass sie sofort von niemandem wörtlich ernst genommen wird. Im Zweifel, ob eine marktschreierische Anpreisung oder eine ernst gemeinte Behauptung vorliegt, ist immer das Letztere anzunehmen. Eine Ankündigung verstößt schon dann gegen § 2 UWG, wenn sie nach ihrem Gesamteindruck bei flüchtiger Betrachtung durch einen Kunden mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit irrige Vorstellungen erwecken kann. Der OGH stimmte der Ansicht des Rekursgerichts zu, wonach die Werbeaussage „Stoppt das Schwitzen“ zwar auch marktschreierischen Charakter habe, jedoch den Tatsachenkern enthalte, dass das besagte Deodorant die Schweißbildung in erheblichem Maße reduziert (25–50 %). Die Angabe „Stoppt Schwitzen“ ist angesichts dieser Zahlen unrichtig und irreführend.

Werbung mit einer Spitzenstellung ist ein Sonderfall vergleichender Werbung. In Fällen vergleichender Werbung (§ 2a UWG) muss regelmäßig der Werbende die Richtigkeit der in der Werbung enthaltenen Tatsachenbehauptungen behaupten und beweisen; diese Beweislastverteilung gilt daher auch für Spitzenstellungswerbung. Eine Marktführerschaft richtet sich im Allgemeinen nach dem Marktanteil eines Unternehmens. Der mit einer Alleinstellung behauptete Vorsprung muss deutlich und stetig sein; dass der Werbende nur einen geringfügigen Vorsprung vor seinen Mitbewerbern hat, genügt in aller Regel nicht. Auch ein mündiger und verständiger Verbraucher versteht den Werbeslogan „Nummer 1“ als Bezugnahme darauf, dass die Beklagte der größte und beste (hier: Deo-)Anbieter im ganzen Land sei, dessen Angebot, Absatz und Umsatz den seiner Mitbewerber bei weitem übersteige. Auch in dieser Frage schloss sich der OGH der Rechtsansicht des Rekursgerichts an, wonach die Behauptungen der Beklagten („Nummer 1“ in Italien und Österreich zu sein) irreführend sind.

 

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