OGH-Entscheidung vom 21.10.2014, 4 Ob 137/14x

Sachverhalt:

Die Beklagte betreibt ein Mobilfunknetz. Sie bot mehrere Tarife für „unlimitiertes Surfen im Internet“ an, denen gemeinsam war, dass die Downloadgeschwindigkeit nach Erreichen eines bestimmten Datenvolumens von 21 oder 42 Mbit/s auf (maximal) 64 kbit/s gedrosselt wurde. Sie warb für diese Tarife auf ihrer Website, in Printmedien und im Fernsehen. Dabei stellte sie das „unlimitierte Surfen“ blickfangartig heraus; den Kunden wurde „so viel mobiles Internet wie Sie wollen“ angeboten. Die Drosselung auf 64 kbit/s ergab sich nur aus kleingedruckten Hinweisen.

Der VKI (Verein für Konsumenteninformation) klagte auf Unterlassung und beantragte, der Beklagten zu untersagen, den unrichtigen Eindruck zu erwecken, sie biete einen Tarif für mobiles Internet an, der die unlimitierte Nutzung mobilen Internets ermögliche, wenn tatsächlich die Übertragungsgeschwindigkeit ab einer bestimmten Datenmenge derart reduziert werde, dass das Surfen im Internet faktisch unmöglich gemacht werde, etwa weil eine Reduzierung auf maximal 64 kbit/s vorgenommen werde.

Entscheidung:

Erstgericht und Berufungsgericht gaben dem Klagebegehren statt. Der OGH hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf und verwies das Verfahren zurück an die erste Instanz. Aus der Begründung:

Beim Irreführungstatbestand ist zu prüfen, (a) wie ein durchschnittlich informierter und verständiger Interessent für das Produkt, der eine dem Erwerb solcher Produkte angemessene Aufmerksamkeit aufwendet, die strittige Ankündigung versteht, (b) ob dieses Verständnis den Tatsachen entspricht, und ob (c) eine nach diesem Kriterium unrichtige Angabe geeignet ist, den Interessenten zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte.

Unter „unlimitiertem Surfen“ versteht der Durchschnittsverbraucher die Nutzung der üblichen Internetdienste in angemessener Geschwindigkeit. Das ist nach der Drosselung nicht mehr der Fall, wenn die konkrete Nutzung einen hohen Datentransfer erfordert. Beim Angebot „unlimitierten“ Surfens darf der Kunde aber annehmen, dass diese Drosselung nicht zu einer gravierenden Einschränkung der Internetnutzung führt, die über bloße Unannehmlichkeiten wegen eines etwas langsameren Seiten- oder Bildaufbaus hinausgeht. Die aufklärenden Hinweise der Beklagten reichen in diesem Zusammenhang nicht aus. Denn dem Durchschnittsverbraucher kann nicht unterstellt werden, dass er aus den angegebenen Werten konkrete Schlussfolgerungen über die tatsächliche Auswirkung der Drosselung ziehen kann. Dass sich das Angebot nur an technisch versierte Kreise richtete, denen die Bedeutung von Downloadgeschwindigkeiten bewusst ist, lässt sich der beanstandeten Werbung nicht entnehmen.

Allerdings sah der OGH das Unterlassungsbegehren des VKI als verfehlt an. Denn dieser würde die Täuschung des Publikums allein darin sehen, dass entgegen der Werbung das Surfen im Internet faktisch unmöglich“ sei. Er greift daher nicht die (oben dargestellte) Irreführung durch den Begriff des unlimitierten Surfens an, sondern wirft der Beklagten vielmehr vor, ihre Leistung nach Überschreiten des Datenvolumens faktisch überhaupt nicht mehr zu erbringen.

Das konkrete Begehren wäre jedenfalls nicht berechtigt, wenn die Nutzung des Internet trotz der Drosselung faktisch noch immer – wenngleich bei einzelnen Diensten nur sehr langsam und mit Schwierigkeiten – möglich wäre.

Zur Feststellung der konkreten Auswirkungen der Drosselung wurde das Verfahren daher zurück an das Erstgericht verwiesen. Der OGH vertritt demnach die Ansicht, dass die Klage nur Erfolg haben könnte, wenn die Auswirkungen der Drosselung so gravierend sind, dass die Nutzung bestimmter Dienste – etwa das Streaming von Videos oder das Herunterladen von Bild- oder Tondateien – „faktisch unmöglich“ ist. Das wäre etwa der Fall, wenn es beim Betrachten von Videos andauernd zu Unterbrechungen käme oder das Herunterladen von Bild- oder Tondateien mittlerer Größe mehr als eine Stunde dauere. Sonst wäre das Begehren abzuweisen, weil das (an sich mögliche) Verbot einer schlicht irreführenden Werbung über das vom VKI erhobene Begehren hinausginge. Denn mit einem solchen Verbot würde ein Verhalten untersagt, das vom konkreten Urteilsantrag nicht erfasst ist.