OGH-Entscheidung vom 11.8.2015, 4 Ob 107/15m

Sachverhalt:

Die Beklagte ist Reiseveranstalterin. Sie verkauft hauptsächlich Pauschalreisen und bedient sich Inseraten und Werbebroschüren in österreichischen Medien. Sie bewarb in den Zeitschriften „Bergauf“ (Mitgliedermagazin des Österreichischen Alpenvereins), „Auto Touring“ (Clubmagazin des ÖATMC), „Profil“ und in der Tageszeitung „Die Presse“ mit beigelegten Werbebroschüren verschiedene Urlaubsreisen.

Die beklagte Partei hob dabei die günstigste Variante der Reise mit einem „ab“-Preis hervor, etwa für eine 8-tägige Bildungsreise in der Türkei um „nur 99 EUR p.P. ab-Preis erhältlich zB im Monat Dezember“. Dieser Preis galt nur für bestimmte Reisetermine. Die für andere Zeiträume anfallenden Saisonzuschläge im Ausmaß von 50 bis 150 EUR pro Person wurden in der Broschüre in einer gesonderten Tabelle jeweils extra ausgewiesen, dies ohne Darstellung des rechnerischen Gesamtpreises. Ausdrücklich wurde auch darauf hingewiesen, dass keine Flughafenzuschläge anfallen.

Den Broschüren sind persönlich gehaltene Schreiben in der Form von Briefen beigelegt, und zwar mit Anrede, persönlichen Wünschen und Unterschrift (etwa „Sehr geehrte Abonnenten von […] „, „Herzliche Grüße und einen schönen Urlaub wünscht […], Leiterin Abo-Service“). In den Briefen wurde darauf hingewiesen, dass es sich um spezielle Angebote für die jeweiligen Leser handle.

Der Wettbewerbsschutzverband 1981 sah darin eine unlautere Geschäftspraktik und klagte auf Unterlassung. Die Irreführung erfolge dadurch, dass sich die Leser der jeweiligen Zeitungen als besonders wertgeschätzte Leser fühlten, die einen besonderen günstigen Preis erhielten, weil die Pauschalreise nur dem treuen Leser des geliebten Mediums angeboten werde. Sie stützte sich auf das UWG und warf der beklagten Partei im Wesentlichen eine irreführende Werbung mit Pauschalreisen vor. Außerdem liege wegen der Übertretung von Preisauszeichnungsbestimmungen auch ein Rechtsbruch vor, weil ein Endpreis für jene Reisetermine fehle, bei denen ein Saisonzuschlag zu entrichten sei.

Entscheidung:

Erst- und Berufungsgericht wiesen die Klage ab. Der OGH gab der Revision der klagenden Partei hinsichtlich eines Eventualbegehrens Folge. Aus der Begründung:

§ 2 Abs 4 UWG (bzw § 2 Abs 4 Z 1 UWG idF UWG-Novelle 2015) legt fest, dass eine Geschäftspraktik dann als irreführend gilt, wenn sie unter Berücksichtigung der Beschränkungen des Kommunikationsmediums wesentliche Informationen nicht enthält, die der Marktteilnehmer benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und die somit geeignet ist, einen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Als wesentliche Informationen im Sinne dieser Norm gelten nach Abs 5 leg cit jedenfalls die im Unionsrecht festgelegten Informationsanforderungen in Bezug auf kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing.

§ 2 Abs 6 Z 3 UWG nennt bei einer Aufforderung an Verbraucher zum Kauf auch den Preis einschließlich aller Steuern und Abgaben oder, wenn dieser vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden kann, die Art seiner Berechnung als wesentliche Information im Sinne des Abs 4, sofern sich diese Informationen nicht unmittelbar aus den Umständen ergeben.

Die beklagte Partei hat durch die konkrete Anführung eines bestimmten Preises („ab“-Preis) für die beworbene Pauschalreise, der bei Inanspruchnahme des dafür angegebenen Zeitraums auch tatsächlich entrichtet werden muss, und die weitere Angabe der für andere Zeiträume jeweils zusätzlich zu zahlenden Saisonzuschläge nicht gegen § 2 Abs 4 iVm § 2 Abs 6 Z 3 UWG verstoßen. Aus diesen Bestimmungen ist keine Pflicht für den Unternehmer abzuleiten, die von ihm deutlich und ziffernmäßig ausgewiesenen Zuschläge mit einem angeführten „ab“-Preis zusammenzurechnen und die jeweiligen Summen gesondert auszuweisen, damit der zu entrichtende Preis auch für alle möglichen Varianten der Pauschalreise angeführt wird, die der Verbraucher beliebig auswählen kann.

Der EuGH hat bereits klargestellt, dass der (dem § 2 Abs 6 Z 3 UWG entsprechende) Art 7 Abs 4 lit c RL-UGP nicht dahin auszulegen ist, dass es bereits per se als irreführende Unterlassung angesehen werden kann, wenn in einer Aufforderung zum Kauf nur ein „ab“-Preis angegeben wird. Vielmehr ist im Einzelfall darauf abzustellen, ob die Angabe eines „ab“-Preises genügt, damit die in dieser Bestimmung festgelegten Erfordernisse bezüglich der Nennung des Preises erfüllt sind. Es muss insbesondere geprüft werden, ob die Auslassung der Einzelheiten der Berechnung des Endpreises den Verbraucher nicht daran hindert, eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und ihn folglich nicht zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die er sonst nicht getroffen hätte. Dabei sind außerdem die Beschränkungen des verwendeten Kommunikationsmediums, die Beschaffenheit und die Merkmale des Produkts sowie die übrigen Maßnahmen zu berücksichtigen, die der Unternehmer tatsächlich getroffen hat, um die Informationen dem Verbraucher zur Verfügung zu stellen.

Die angeführte Rechtsprechung bezieht sich dabei auf Konstellationen, in denen nur mit „ab“-Preisen geworben wird. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Wenngleich die beklagte Partei mit „ab“-Preisen blickfangartig geworben hat, legte sie gleichzeitig sämtliche Komponenten offen, aus denen sich der endgültige Preis für alle (vom Kunden frei wählbaren) weiteren Varianten der Pauschalreise errechnet. Indem die beklagte Partei den billigsten Gesamtpreis und allfällige (aber nicht zwingend) anfallende Saisonzuschläge gesondert ausgewiesen, es aber unterlassen hat, auch das rechnerische Ergebnis dieser einfachen Addition anzuführen, enthielt sie einem potentiellen Kunden keine wesentlichen Informationen vor. Unter Berücksichtigung der Beurteilungskriterien des EuGH verstößt die Werbung der beklagten Partei im Zusammenhang mit den gesondert ausgewiesenen Saisonzuschlägen somit nicht gegen § 2 Abs 6 Z 3 UWG. Der OGH sah auch keinen Verstoß gegen die Pauschalreise-RL oder das Preisauszeichnungsgesetz.

Hingegen sah der OGH die Revision bezüglich eines Eventualbegehrens als berechtigt an, weil der beklagten Partei wegen der suggerierten angeblichen Exklusivität der Vorzugspreise eine irreführende Geschäftspraktik nach § 2 Abs 1 Z 4 UWG vorzuwerfen ist:

Die beklagte Partei richtete sich in ihrer Werbung mit persönlich gehaltenen Schreiben gezielt an die jeweiligen „treuen Leser“ (bzw Abonnenten) der Zeitschrift bzw Zeitung. Sie wies diesen gegenüber mehrfach auf die „Einladung“ zu einem „Vorzugspreis“ hin und vermittelte deutlich, dass der Preis als „besonderes Dankeschön“ speziell für die Leser gelte. Ein durchschnittlich informierter und verständiger Interessent für Pauschalreisen bzw ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Kreise wird die strittigen Aussagen dahin verstehen, dass der beworbene Vorzugspreis nur exklusiv für den konkret angesprochenen und bestimmbaren Adressatenkreis (zB Abonnenten des „Profil“) gilt. Die beklagte Partei warb aber geradezu flächendeckend mit „Vorzugspreisen“ auch gegenüber Lesern von anderen Zeitschriften oder Zeitungen. Es handelte sich jedoch tatsächlich um keine Vorzugspreise.

Der OGH bejahte die Relevanz der Irreführungseignung, weil die Adressaten den beworbenen Vorzugspreis als etwas Besonderes, als speziellen Vorteil verstehen werden, der nur ihnen als Leser oder Abonnenten der Zeitung zur Verfügung steht. Somit ist der Tatbestand des § 2 Abs 1 Z 4 UWG wegen irreführende Angaben über das Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils für Leser und Abonnenten bestimmter Printmedien erfüllt und die Klage insoweit berechtigt.