OGH-Entscheidung vom 30.3.2020, 4 Ob 194/19m

 

Sachverhalt:

Die Beklagte ist Medieninhaberin von „Österreich“ und „oe24“. In der Fachzeitschrift „Extradienst“ veröffentlichte sie folgende Eigenwerbung:

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Klägerin, Medieninhaberin der „Kronen Zeitung“, klagte auf Unterlassung und beantragte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Denn die Beklagte habe in ihrer Einschaltung für ihr eigenes Medium einen Vergleich innerhalb des Jahres 2018 angeführt, für die „Kronen Zeitung“ hingegen einen Vergleich zwischen 2017 und 2018. Ein solcher Vergleich sei irreführend, weil unterschiedliche Zeiträume miteinander in Beziehung gesetzt würden. Auch der behauptete Anstieg der Zahl der Leser von „Österreich“ um 80.000 sei falsch und damit irreführend.

 

Entscheidung:

Das Sicherungsbegehren wurde in erster und zweiter Instanz abgewiesen. Der OGH befand den Revisionsrekurs der Beklagten jedoch für zulässig und berechtigt. Aus der Begründung:

Für Medieninhaber und Verlage ist beim Verkauf von Anzeigenflächen ein wesentliches Kriterium, möglichst hohe Reichweiten ihrer Medien behaupten zu können. Je höher die Reichweite eines Mediums ist, desto attraktiver ist die Schaltung von Inseraten darin. Die Media-Analyse (MA) genießt in Österreich besonders hohes Vertrauen.

Werbung mit Reichweitenangaben ist streng zu beurteilen. Da die Aussagekraft von Reichweitenangaben ganz entscheidend davon abhängt, wie, von wem und wann sie errechnet wurden, muss der Werbende die von ihm angegebene Reichweite definieren, er muss die Quelle und den Erhebungszeitraum angeben.

Richtet sich eine Werbeaussage an Fachkreise, so ist für die lauterkeitsrechtliche Beurteilung das Verständnis eines fachkundigen Lesers der Fachzeitschrift maßgebend. Der Gesamteindruck kann durch einzelne Teile der Ankündigung, die als Blickfang besonders herausgestellt sind, entscheidend geprägt werden. Bei einer blickfangartigen Aussage bedarf es zur Vermeidung eines irreführenden Gesamteindrucks eines deutlich wahrnehmbaren aufklärenden Hinweises.

Die Irreführungseignung kann auch durch unvollständige Angaben herbeigeführt werden, wenn hinsichtlich wesentlicher Umstände ein falscher Gesamteindruck hervorgerufen wird, der Adressaten der Werbung zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst werden, die sie sonst nicht getroffen hätten.

Die verfahrensgegenständliche Werbung vermittelt den falschen Eindruck, einen Vergleich von Medien für denselben Zeitraum anzustellen, obwohl die jeweils angegebenen Zuwächse oder Verluste unterschiedliche Zeiträume betreffen. Damit wird über die jeweilige Steigerung bzw die Verringerung der Reichweite getäuscht.

Richtet sich eine Werbeaussage allein an Fachkreise, ist für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung dieser Werbebehauptung allein die Verkehrsauffassung dieser Fachkreise maßgebend. Allerdings ist auch Fachkreisen nicht zumutbar, aufklärende Hinweise zu beachten, die dem Werbetext – wie hier – in einem um 90 Grad gedrehten Randvermerk in Kleinstschrift beigefügt sind.

Die Werbung war dem OGH zufolge dazu geeignet, geschäftliche Entscheidungen der Adressaten zu veranlassen, die sie sonst nicht getroffen hätten, da die Attraktivität eines Mediums für Werbekunden umso höher ist, je höher dessen Reichweite liegt. Auch die behauptete Steigerung auf 80.000 (statt bloß 75.000 Leser) sei irreführend. Der OGH gab dem Revisionsrekurs daher zur Gänze Folge und erließ die beantragte einstweilige Verfügung.