OGH-Entscheidung vom 26.2.2025, 15Os55/24p (15 Os 160/24d, 15 Os 161/24a)

 

 

Sachverhalt:

In einem medienrechtlichen Verfahren begehrte der Privatankläger und Antragsteller Herr H. die Verurteilung des Angeklagten und Antragsgegners Herrn U. wegen der Vergehen der üblen Nachrede nach § 111 StGB und der Beleidigung nach § 115 StGB sowie den Zuspruch einer Entschädigung nach § 6 Abs 1 MedienG, da Herr U. Beiträge auf der Facebookseite des Herrn B. unter anderem dahingehend kommentierte, dass dieser ein „Punschkrapferl“* sei bzw. schrieb, dieser sei „punschkrapferlmäßig innen braun“.

Der Antragsteller betreibt eine öffentlich einsehbare, mit mehr als 4.000 „Freunden“ verlinkte Facebook-Website, auf der er sich häufig kritisch zu tagespolitischen Themen äußert. Der Angeklagte und Antragsgegner betreibt unter dem Nutzernamen „M* U*“ eine öffentlich einsehbare, mit etwa 1.000 „Freunden“ verlinkte Facebook-Seite.

Die inkriminierten Kommentare des Angeklagten waren auf der Profilseite des Privatanklägers jeweils nur kurze Zeit sichtbar, weil sie der Privatankläger, sobald er sie dort bemerkte, gleich ausblendete. Dass die Kommentare auch auf der Profilseite des Angeklagten aufschienen, konnte nicht festgestellt werden.

(*Zum Bedeutungsinhalt hielt das Erstgericht fest, dass der Begriff „Punschkrapferl“ als Sinnbild für Personen stehe, die sich nach außen als Sozialdemokraten darstellen, innerlich jedoch dem Nationalsozialismus anhängen oder nahestehen.)

 

Entscheidung:

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten und sprach eine Entschädigung iHv EUR 800 zu. Auch das Berufungsgericht erachtete den Tatbestand der üblen Nachrede nach § 111 StGB als erfüllt. Zum Entschädigungsanspruch nach § 6 Abs 1 MedienG hielt das Berufungsgericht fest, dass es eine Entschädigung in Höhe von 150 Euro pro inkriminierter Veröffentlichung als angemessen erachte.

Der OGH hob die Entscheidungen der Vorinstanzen teilweise auf.

Ein Entschädigungsanspruch nach § 6 MedienG besteht nur gegen den Medieninhaber. Medieninhaber einer Facebook-Seite ist der Betreiber, der die inhaltliche Gestaltung besorgt und Beiträge/Kommentare löschen oder Nutzer sperren kann. Der bloße Verfasser eines Kommentars auf einer fremden Facebook-Seite ist nicht Medieninhaber. Da der Angeklagte die Kommentare auf fremden Facebook-Seiten postete, war er nicht Medieninhaber und konnte daher nicht zur Zahlung einer medienrechtlichen Entschädigung verpflichtet werden.

Kritische Werturteile sind von der Meinungsfreiheit gedeckt, wenn sie auf einem Tatsachensubstrat beruhen und nicht unverhältnismäßig überzogen sind. Politiker müssen mehr Kritik hinnehmen als Privatpersonen. Der Vorwurf einer nationalsozialistischen Gesinnung war hier aber durch kein ausreichendes Tatsachensubstrat gedeckt. Die Verurteilung wegen übler Nachrede wurde daher vom OGH bestätigt.

 

Link zur Entscheidung

 

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