OGH-Entscheidung vom 9.12.2024, 15 Os 117/24f

 

Sachverhalt:

Ein Polizist erhob beim Landesgericht Steyr Privatanklage gegen einen Mann wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 StGB. Der Mann hatte auf seiner öffentlich einsehbaren Facebook-Seite ein Posting mit dem Lichtbild des Polizisten und dem Begleittext „Lasst dieses Gesicht des Polizisten um die Welt gehen. Dieser Polizist eskalierte bei der Demo […]“ veröffentlicht und es dann beinahe drei Jahre in einem abrufbaren Zustand belassen.

Der Privatankläger begehrte auch die Anordnung der Veröffentlichung einer Mitteilung über das eingeleitete Verfahren gemäß § 37 Abs 1 MedienG. Das Landesgericht erließ die begehrte Mitteilung, allerdings ohne den Namen des Angeklagten zu nennen; im Beschluss war lediglich von „der angeklagten Person“ die Rede.

Der Privatankläger erhob dagegen Beschwerde.

 

Entscheidung:

Das Oberlandesgericht Linz gab der Beschwerde nicht Folge. Die Generalprokuratur erhob dagegen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes. Der OGH gab dieser statt. Der Gerichtsbeschluss verletzt § 37 Abs 1 MedienG.

Gemäß § 37 Abs 1 MedienG hat das Gericht auf Antrag des Anklägers oder des Antragstellers in einem selbständigen Verfahren mit Beschluss die Veröffentlichung einer kurzen Mitteilung über das eingeleitete Verfahren anzuordnen, wenn anzunehmen ist, dass der objektive Tatbestand eines Medieninhaltsdelikts hergestellt worden ist. Die Veröffentlichung kann auch eine Sachverhaltsdarstellung umfassen, soweit dies zur Unterrichtung der Öffentlichkeit erforderlich ist. Dem Betroffenen wird damit die Möglichkeit eingeräumt, die Öffentlichkeit gleich zu Beginn des Verfahrens darüber zu informieren, dass er gerichtliche Schritte eingeleitet hat.

Voraussetzung für die damit bezweckte Warn- und Präventivwirkung ist aber die namentliche Anführung des Angeklagten (und des Medieninhabers) in der Mitteilung gemäß § 37 Abs 1 MedienG, weil allein dadurch der Begehung von Straftaten wirksam begegnet werden kann.

(Bereits im April 2023 hat der OGH klargestellt, dass die Veröffentlichung einer den Namen des Privatanklägers oder Antragstellers nicht nennenden, diesen vielmehr anonymisierenden Mitteilung über das eingeleitete Verfahren dem Telos des § 37 Abs 1 MedienG widerspricht. Die Nennung des Namens desjenigen, der die Mitteilung begehrt, ist inhaltliche Voraussetzung für eine Anordnung nach § 37 Abs 1 MedienG. Siehe HIER im BLOG.)

 

Link zur Entscheidung

 

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