OLG Wien-Entscheidung vom 23.8.2023, 17 Bs 119/23h

 

Sachverhalt:

Gegenstand des Verfahrens war eine Rezension auf dem Google-Unternehmensprofil einer Kinderärztin. Ein Nutzer bewertete unter einem Pseudonym die Arztpraxis der Antragstellerin mit einem von fünf möglichen Sternen und veröffentlichte dazu nachstehende Rezension:

 

„Leider muss ich einen Stern geben, Keiner ging nicht.

Über die ärztliche Kompetenz kann ich leider nicht urteilen (soll laut anderen Beurteilungen sehr gut sein), aber zur Menschlichen kann ich nur sagen : MISERABEL!!!

Ich hatte eine Überweisung für meinen Sohn (von unserer Hausärztin) zur dringenden Untersuchung, da er starke Schmerzen trotz verabreichter Schmerzmittel hatte.

Telefonisch rief ich an und bat um einen schnellstmöglichen Termin.

Uns wurde sofort ein Termin in einer Stunde angeboten! Eigentlich super und toll, so schnell!

Perfekt!

ABER! jetzt kommts!

Im weiteren Gespräch wollte man die Daten meines Sohnes wissen (was ja auch üblich ist) dabei stellte sich heraus, dass er ein neuer Patient ist (unser Kinderarzt ging in Pension) und auf einmal hieß es:

„Er ist kein Patient von uns, der Termin ist gestrichen!!!!!“.

Wir versuchten gleich unser Glück bei anderen Ärzten, aber auf die Schnelle leider kein Termin, alles voll ausgebucht und erst in einigen Tagen.

Ich bat, kurze Zeit später, in dieser Ordination nochmals um einen Termin (da ja was frei war und mein Sohn noch immer unverändert starke Schmerzen hatte), aber man blieb stur und es hieß nur „Keine neuen Patienten mehr, ich solle zur Vertretung gehen.“

Vielen herzlichen Dank, aber auch!“

 

Tatsächlich hatte der Verfasser an diesem Tag um ca. 13:30 in der Kinderarztpraxis der Antragstellerin angerufen, um wegen der Erkrankung seines Sohnes einen Termin zu vereinbaren. Da das Patientenkontingent für diesen Tag bereits erschöpft war, wurde er von einer Mitarbeiterin der Antragstellerin mitgeteilt, dass sein Sohn heute aufgrund zu hoher Auslastung keinen Termin bekommen könne, und er wurde an die Kinderärzte des Sohnes bzw. an das Krankenhaus verwiesen. Kurze Zeit später rief der Antragsteller erneut an und teilte mit, dass er bei seinem Kinderarzt erst einen Termin in zwei Tagen bekommen würde. Die Mitarbeiterin teilte ihm daraufhin mit, dass er sich an das Krankenhaus wenden müsse.

Der Antragstellerin war nicht bekannt, wer der Verfasser ist, und sie hatte ohne die Unterstützung durch Google keine Möglichkeit, diese Information zu erlangen. Sie ersuchte Google wiederholt um Löschung der Bewertung und Rezension oder zumindest um Bekanntgabe des Namens und der E-Mail-Adresse des Nutzers, um rechtliche Schritte gegen diesen einleiten zu können. Google kam der Aufforderung nicht nach.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht trug Google zwar die Löschung auf, wies den Antrag auf Leistung einer Entschädigungszahlung gemäß §§ 6 Abs 1 iVm 8 Abs 1 MedienG jedoch ab. Das Berufungsgericht wies die dagegen gerichtete Berufung von Google ab, gab der Berufung der Antragstellerin insofern Folge, als das auch eine Entschädigungszahlung iHv EUR 2.000,00 zugesprochen wurde.

Das Berufungsgericht entschied, dass Google auch Medieninhaberin und nicht nur Host-Provider der Local Listings ist. An der Medieninhaberschaft ändert sich nichts, wenn eine Online-Präsenz Dritten ermöglicht, Inhalte zu veröffentlichen (etwa in Gästebüchern, Diskussionsforen oder Blogs, die Antworten und Kommentare anderer User zulassen). Die Verantwortlichkeit des Medieninhabers erstreckt sich auf alle Teile der Website, die der Betreiber Dritten für deren Inhalte (Postings) zur Verfügung stellt. Der Medieninhaber kann sich jedoch auf ein Haftungsprivileg unter anderem des § 6 Abs 2 Z 3a MedienG stützen, wenn er in Übereinstimmung mit § 16 Abs 1 Z 2 ECG rechtswidrige Äußerungen Dritter unverzüglich ab Kenntnis entfernt.

Google betreibt neben einer Suchplattform eine kleine in die Suchplattform eingebettete Website, auf der Informationen zu einem einzelnen Unternehmen geboten werden, aber auch die Möglichkeit, diese Unternehmen zu bewerten und andere Bewertungen einzusehen. Der Betreiber einer Website ist dann Host-Provider, wenn er wirklich nur eine technische Bühne für Dritte bietet. Fordert der Website-Betreiber oder Inhaber einer Social Media-Präsenz dazu auf, Inhalte hochzuladen oder Kommentare zu „posten“ oder lädt er auch ohne ausdrückliche Aufforderung allein durch das Vorhandensein einer Kommentarfunktion dazu ein, auf seine eigenen Inhalte zum Beispiel die Artikel seiner Online-Zeitung, zu reagieren, dann ist er kein Host-Provider.

Im vorliegenden Fall ermöglicht die Antragstellerin Internet-Nutzern, von ihnen eingegebene Informationen in ihrem Local Listings-Forum zu speichern und lädt auch die Übernehmer des Unternehmensprofils dazu ein, Fotos hochzuladen und das Profil zu ergänzen. Sie ist damit kein reiner Host-Provider im Sinne des § 16 ECG, sondern kommt ihr zugleich Medieninhaberschaft zu. Medieninhaber ist derjenige, der für die inhaltliche Gestaltung des Mediums die Letztverantwortung hat, der also etwa als Administrator einer Facebook-Seite die Möglichkeit hat, jeden Kommentar zu löschen oder zu bearbeiten. Der Host-Provider stellt hingegen die Infrastruktur für die Verbreitung solcher Informationen zur Verfügung, ohne mit diesen Informationen in einem sachlichen Zusammenhang zu stehen oder inhaltlich darauf Einfluss zu nehmen. Daher ist auch nach „Übernahme“ des Unternehmensprofils keine Letztverantwortung des Unternehmensinhabers gegeben, da dessen Rolle mit der eines Administrators schon insofern nicht vergleichbar ist, als er keinen derartigen Einfluss auf Kommentare nehmen kann. Während zB auf Facebook der einzelne Accountinhaber selbst Medieninhaber ist, da er seinen Account selbst verwalten und gestalten und auch fremde Postings von seinem Account löschen kann, hat der Unternehmensinhaber auf der gegenständlichen Website nicht diese Möglichkeit.

Das Berufungsgericht folgte der Argumentation von Google nicht, wonach Bewertung der Wahrheit entsprechen würde, denn Google konnte den User nicht namhaft machen und sich nicht auf dessen (Zeugen-)Aussage stützen. Dabei war ohne Relevanz, ob Google die Daten nicht herausgibt oder selbst gar nicht kennt, da Google die Beweislast für die Wahrheit der Behauptung des Users obliegt.

 

Link zur Entscheidung

 

Weitere Blog-Beiträge zum Thema Google und Persönlichkeitsrechte:

Google-Bewertungen: Rein subjektive Werturteile grundsätzlich zulässig. Schutz der Persönlichkeitsrechte darf nicht überspannt werden.

Recht auf Löschung aus Suchmaschinen („Recht auf Vergessenwerden“): Google muss nachweislich unrichtige Informationen auch ohne Gerichtsurteil löschen.

Google-Bewertung: Unrichtigkeit kann sich aus Weglassen wesentlicher Informationen ergeben

Negative Google-Bewertung: Recht auf freie Meinungsäußerung deckt unwahre Tatsachenbehauptungen nicht

EuGH: Google kann zur Löschung von Links zu Webseiten mit privaten/personenbezogenen Daten verpflichtet werden

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